US-Filmhits müssen an der deutschen Kino-Kasse warten


Batman hat sein Cape bereits an den Nagel gehängt, die Ghostbusters längst den Glibber von den Fingern gewischt. Doch plötzlich klingelt das Telefon: Ihr Einsatz in Deutschland ist endlich genehmigt! Welche Schlafmütze ist eigentlich schuld, daß sie sechs Monate warten mußten?

Eines Tages werden die Menschen im Osten die Chance bekommen, über dasselbe zu lachen und zu weinen wie die Menschen im Westen. Alles, was sie wissen, sehen und erfahren wollen, wird sofort zugänglich sein und nicht zwei kalte Winter später!

Beispiel „Things Change“. Der Film des US-Autors David Mamet wurde auf dem Festival von Venedig im September ’88 gefeiert. Hauptdarsteller Don Ameche bekam drei Auszeichnungen. Im Oktober ’88 startete das Gauner-Stückchen in den USA. In der Bundesrepublik Deutschland war der Film zweimal angekündigt, aber: Things change. Jetzt ist der Start für Man ’90 geplant. 18 Monate für die Reise über den Atlantik.

Beispiel „Batman“: Anfang ’89 tauchten erste Fotos in der deutschen Presse auf. Im Mai kam der „Batdance“ von Prince, dann die T-Shirts und der Ramsch. Am 22. Juni startete „Batman“ in den USA. Das deutsche Publikum wurde vier weitere Monate hingehalten und mit Berichten über die Batmania bearbeitet – solange, bis es wehtat. In der Woche vor dem deutschen „Batman‘-Start war dann ein Phänomen zu beobachten: Kein einziges positives Wort mehr über den Film! Selbst die BILD-Zeitung, die anfangs mitgejubelt hatte, meckerte: „Batman ist Schlaffman“.

Beispiel „Ghostbusters II“: In den USA startete die Klamotte am 15. Juni ’89. Zu Weihnachten lagen Bill Murray & Co. bereits auf Videocassette unterm Christmas Tree. Am 11. Januar ’90 darf endlich auch das deutsche Kinopublikum in die Geisterbahn.

Beispiel „New York Stories“. Als sich im Herbst die Deutschen über die Woody Allen-Episode amüsierten, standen die New Yorker bereits für den nächsten Allen-Film an.

Filme in einer Fremdsprache frißt uns das deutsche Publikum nicht, sagt die Filmwirtschaft. Zwei bis drei Monate vergehen deshalb, bis ein Autor die Original-Dialoge „eindeutscht“ (und dabei meist verschlechtert), bis Sprecher ausgewählt sind und das ganze aufgenommen ist. Wenn es wirklich eilt, geht’s aber auch in zwei bis drei Wochen wie letzten Sommer mit „Karate Kid III“ und im Herbst mit „Zurück in die Zukunft II“ bewiesen.

Beide Filme waren in Amerika nicht rechtzeitig fertig geworden, sollten aber zum lange geplanten Termin anlaufen.

Was uns in Sachen aktueller Filme zum Entwicklungsland macht, ist nicht nur die Synchronisation. Es ist die westdeutsche Kinowirtschaft, die der sozialistischen Planwirtschaft einige Kniffe abgeschaut hat. In den USA etwa starteten die drei Blockbuster des Jahres. „Batman I“, „Ghostbusters II“ und „Indiana Jones III“ innerhalb von vier Wochen im Sommer ’89. Ein Wettbewerb, den nur einer gewinnen konnte, aber auch der Zweite und der Dritte bekamen genug. Und für die Zuschauer war’s ein Kino-Fest. In Deutschland stimmten sich die Konkurrenten ab und entzerrten die Starts großräumig.

Das Problem, sagen die Manager der Verleihfirmen, seien die deutschen Filmtheater. Unter den rund 3.200 Leinwänden komme gerade ein Drittel für einen großen Film in Frage. Wenn „Batman“ auf 560 Leinwänden anläuft, dann sind die A-Häuser alle weg; für einen zweiten Massen-Start ist partout kein Platz.

Auch bei Filmen, die für kleineres Publikum kalkuliert sind, wird’s eng. Den Start von „Sex, Lügen und Video“ am 2. 11. ’89 plazierte der Concorde Filmverleih zwischen „Georg Eiser“ im September und „Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber“ im Dezember. Nicht weil anzunehmen war, daß diese Filme dieselben Zuschauer ansprechen, sondern weil sie alle in dieselben Kinos sollten. 70 bis 100 Leinwände hält Concorde-Geschäftsführer Peter König geeignet für seine Filme. Als er „Sex, Lügen und Video“ in 50 Kinos startete und eine Woche später aufgrund des Andrangs auf die doppelte Zahl aufstockte, hieß es für andere: hinten anstehen.

Die deutschen Kinos, in den 70er Jahren besinnungslos aufgeschachtelt, wirken an vielen Orten einladend wie Bahnhofs-Klos. Die Leinwand winzig, die Sitze eng. die Projektion unscharf und der Ton wie aus dem Telefonhörer – dafür gut zu verstehen, was in den zwei angrenzenden Vorführ-Zellen gerade läuft. Daß diese Zustände unzumutbar sind, wissen die Kinobesitzer recht gut. Statt ihre Infrastruktur kräftig aufzumöbeln, stellen sie sich auf den Standpunkt: Tust du mir nicht weh, tu ich dir nicht weh. Und: Eins nach dem anderen.

Letzten Sommer etwa, als „Otto III“ in der traditionellen deutschen Nicht-Saison an die vier Millionen Zuschauer holte, hätte kein Kinobesitzer auch noch die „Ghostbusters“ hereingelassen. Als sich letzten Herbst Verleiher und Kinoketten-Besitzer zum Festlegen ihres Fünf-Monats-Plans trafen, stellten sie entsetzt fest, daß zu Ostern ’90 neue Filme mit 3.300 Kopien in die Kinos drängen – zusätzlich zu den dann laufenden Filmen! Die Krise war da.

„Am liebsten würde ich gleichzeitig mit Amerika starten“, meint der Geschäftsführer der Columbia Tri Star-Film. Deutschland, Jürgen Schau. Bald kann er sich diesen Wunsch erfüllen. Während Europa versucht, den Marktanteil der Amerikaner per gesetzlicher Quoten einzuschränken, haben die längst gehandelt. Im Frühjahr 1990 wird das erste Multiplex-Kino in Deutschland eröffnen, ein rundes Dutzend soll folgen. Medienkonzerne wie Warner Brothers oder UIP schaffen sich damit eigene Abspielplätze für ihre Produkte, mit großen Leinwänden, erstklassiger Vorführung, reichlich Parkplätzen und Entertainment drumrum. Wenn in Zukunft auf MTV und TELE 5 Videos aus neuen Filmen laufen, wenn Titel-Songs in den Charts stehen, wenn die Zeitungen über Film-Premieren in New York berichten.

dann müssen keine Jahre mehr vergehen, bis die Filme selbst zu besichtigen sind.

Das ist ein Schritt in Richtung globaler Rundum-Vermarktung, das bringt aber auch ein Mehr an Informationsfreiheit. Es wird dann endlich Platz sein für die Filme, die es bislang nicht auf eine deutsche Leinwand schafften.

Und die Werke deutscher Filmemacher wandern dann in diejenigen Kinos, die ebenso wie Fernsehanstalten, Filmproduzenten und Erich Honecker auf den drei ehernen deutschen Bürokraten-Regeln beharren: Das haben wir schon immer so gemacht. Das haben wir noch nie so gemacht. Da kann ja jeder kommen.