Veb Exotic


Samba für die Sozis - selbst die DDR wird von den brasilianischen Backen beglückt.

Früher, als die Karten noch über die volkseigenen Betriebe verteilt wurden, hätte der Veranstalter die Hütte sicher voll gehabt – heute ist die Werner-Seelenbinder-Halle nur zu einem Bruchteil gefüllt. Gerade 800 Zuschauer, sauber geschniegelt und sorgfältig gebügelt, wollen sich von diesem „absoluten Stimmungsknüller“ (Programmheft) knüllen lassen. Anfangs beklatschen sie die bunt zusammengewürfelten Musiker und Tänzer noch freundlich, doch dann legt sich die Stimmung rasch wieder. Kaoma zieht die altbekannte „wilde Frische der Exoten“-Nummer ab, und die kennt man schließlich bereits aus dem West-Fernsehen.

Die Tanzlektionen der mütterlichen Ko-Oma-Vorsängerin finden wenig Schüler. Auch die durchtrainierten Vortanzpaare, die sich schwungvoll gegenseitig die Knie in den Schritt schieben, können der Halle kein Copacabana-Flair verleihen. Schon schnell hat man sich an der braven Erotik der knapp bekleideten Eintänzer sattgesehen. Da ist das Publikum aus dem wahrlich nicht prüden DDR-TV schärfere Kost gewöhnt.

Kein Wunder, daß sich im Lauf des Konzerts der DDR-eigene Skeptizismus durchsetzt. „Erstmal Abwarten“ heißt die Devise. Mit verschränkten Armen stehen die meisten vor der Bühne, andere setzen sich und reagieren stoisch – gerade so, als hätte ihnen der Genosse Honecker ein beherztes »Vorwärts im Kampf um die Lambada-Planerfüllung“ zugerufen.

Dann endlich intonieren Kaoma ihren Monster-Hit, und der Saal kommt in Wallung: Hier und da tanzen nun auch Publikums-Pärchen, der Rest lambadert gemäßigt vor sich hin oder schwenkt den takt-vollen Kopf. Auf der Bühne erreicht die inszenierte Begeisterung ihren Höhepunkt: Die Formationen werden gewagter, zeitweilig stochern zwei und mehr Damen mit den Knien in einem Herrn herum. Zum Abschluß walzen sie in einer Neuner-Schlange über die Bretter, eine brasilionische „Polonaise Blankenese“, Becken an Becken.

Dann verläßt das One-Hit-Wonder das Podium. Plötzlich werden alle munter, es wird geklatscht und getrampelt, für stolze 30 Mark möchte man schließlich länger unterhalten werden als eine knappe Stunde. Der Lohn sind zwei Zugaben, Wiederholungen des Hits und der aktuellen Single. Nach 20 weiteren Minuten ist alles vorbei und das Volk strömt mit wiegenden Hüften Trabi oder S-Bahn entgegen.