Vitamin C


Das skurrile Geschäft des Nachfiedelns: Wie ein Streichquartett Coverversionen vom Fließband produziert.

Nutzer einschlägiger Online-Musikportale kennen das Phänomen: Auf der Suche nach einem bestimmten Titel drängelt sich immer wieder ein Streichquartett in die Trefferlisten-das „Vitamin String Quartet“. Wer das Angebot gezielt nach diesem Ensemble durchsucht, stößt auf ein Oeuvre, dessen Umfang sprach los macht. Sagenhafte 886 Titel findet iTunes, Napster zählt 182 Alben -Alben! Ein flüchtiger Blick auf die Titel lüftet das Geheimnis-zumindest ein wenig und wirft sogleich neue Fragen auf. Augenscheinlich handelt es sich ausnahmslos um „Tribute“-Alben für renommierte Künstler, und zwar für so ziemlich alle. AC/DC haben eins, Radiohead und Depeche Mode genauso wie Alicia Keys und Marilyn Manson, sogar Bright Eyes und Kasabian werden beehrt. Wer sich fragen mag, wie sich 2Pac oder Jessica Simpson feingestrichen anhört, wird überrascht sein: Klanglich sind die Unterschiede erstaunlich marginal, harter Hiphop lässt sich genauso harmlos verfideln wie doofer Mainstream.

Ein versierter Vertreter des „Tribute…“-Genres ist der in Nashville lebende Komponist, Musiker und Produzent Todd Mark Rubenstein. 35 CDs hat er im Auftrag von Vitamin Records für die „String Tribute Series“ als leitender Produzent aufgenommen. Für exit stage right:the string quartet tribute to Rush erhielt er sogar eine Grammy-Nominierung. Allzu viele Geheimnisse über seine Arbeitweise lässt sich Todd nicht entlocken, das Vitamin String Quartet würde sich sonst wohl schnell in seine unzähligen Bestandteile auflösen. Denn ein festes Ensemble ist es nicht, viel mehr finden sich die Musiker für jede Produktion neu zusammen. Zudem muss so ein Quartett heutzutage nicht unbedingt aus vier Leuten bestehen-MIDI macht’s möglich. Todd als praktizierender Multiinstrumentalist beherrscht sämtliche Tasten-und Saiten Instrumente, kann somit alles -Geige, Bratsche, Cello -selbst einspielen und abmischen.

Die Praxis von Vitamin Records, ihre Alben möglichst schnell nachdem Chartserfolg des zu covernden Künstlers zu veröffentlichen, fordert allerdings ihrerseits Tribut. „Leider ist das Label bei der Bezahlung seiner Künstler nicht so gewissenhaft wie beim Einfordern irrwitziger Deadlines“, berichtet Todd. Er hat die Zusammenarbeit inzwischen aufgekündigt. Das „Quartett“ wird auch ohne ihn fortbestehen. Wer wollte sich diese potenziellen Zielgruppen-zumindest rechnerisch mindestens so groß wie die Käuferschar der Originale-entgehen lassen? Nachspielen rechnet sich traditionell: Gute Musik wird durch Wiederholung nicht zwangsläufig schlechter, selbst die Beatles begannen als Coverband. So gesehen ist die „Tribute“-Praxis, die außer in String- auch in skurrilen Surf-, Metal- und Gregorianik-Aufgüssen gipfelt, nichts weiter als ein Sinnbild für den immerwährenden Kreislauf der Popindustrie, ein einziger, endlos mäandernder Loop…

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