Wahnsinn am Werk


Trotz drei Jahren Plattenpause haben sich Faith No More kaum eine Minute Ruhe gegönnt. Sind die fünf aus Frisco noch bei Trost?

„Die Welt ist sowieso ein völlig abgefuckter Ort. „Na, wunderbar. Hatte die Repräsentantin der Plattenfirma Faith No More-Sänger Mike Patton nicht eben als freundlichen jungen Amerikaner empfohlen, der vornehmlich schmutzige Witze erzählt? Immerhin er lacht dabei, der Mann hat seine eigene Art von Humor.

Und außerdem gut grinsen. Als sich Patton 198 9 der nur auf Clubebene mäßig erfolgreichen Truppe aus der Bay Area anschloß, platzte für sie nach sechs Jahren endlich der Knoten. „Epic“, ihr Single-Hit aus dem Jahre 1990, der Evergreen des Rap-Rock, ist heute noch Aushängeschild der Band und Musterbeispiel des MTV-Mechanismus, der heute so reibungslos von Extreme bis Nirvana funktioniert. In kürzester Zeit hievte die permanente Videobestrahlung das damals bereits ein Jahr alte Album in die Charts. „The Real Thing“ wurde posthum zum Millionenseiler. Und die Band zur Karawane. „Wir waren fast zweieinhalb Jahre auf Tour, wennduso lange unterwegs bist, fügst du deinem Körper irreparable Schäden zu.“ Zweifelsohne, vor allem, wenn man wie Patton die seltene Freizeit damit verbringt, mit Mr. Bungle, der Band, die ihn vor 1989 hauptberuflich beschäftigte, auch noch durch die Lande zu ziehen.

„Das ist mein Spaßprojekt, und mit ein paar Haarkuren und Gesichtsmasken bekommt man auch das Gröbste wieder hin. „

Nicht, daß Mike Patton und seine Kollegen von Faith No More keine Grobheiten liebten. „Angel Dust“, das jüngst erschienen Folgewerk ihres ersten Erfolgs, ist eine bösartige Breitseite gegen friedliche Fans, die seit drei Jahren auf eine neue MTV-Hymne warten. Scharfer Sarkasmus und fiese Töne im negativen Spannungsfeld irgendwo zwischen Nick Cave, Slayer und dem Niedergang des zwanzigsten Jahrhunderts bestimmen den wenig freundlichen Grundtenor. Großartig, aber gnadenlos gemein — macht die Masse ihrer Fans das mit? „Nein, das erwarten wir auch nicht. Diese Platte soll anstrengen und zwar so, daß man sie am liebsten fast wieder abstellen möchte. Aber eben nur fast!“ Die Quälerei kommt nicht von ungefähr. Mike Patton weiß die Eigendiagnose treffend zu stellen: Zivilisationskrankheit, vornehmlich amerikanischer Prägung. „Wir waren zu Tode gelangweilt, von allem und jedem, und wir hatten lange genug Zeil, Wut und Aggression anzustauen, bevor wir ins Studio gingen. Als Amerikaner kann man nur frustriert sein, man wird mit dem Stigma geboren. Das haben wir der Welt voraus. „Da lacht er wieder.

Zwei Jahre Bedenkzeit nach dem großen Durchbruch haben einiges abgeklärt im Mikrokosmos Faith No More. Nach Hysterie, Mädchenschwärmen und Medienrummel steht die Band vor der zweiten Feuerprobe. Erfahrung macht klug sagt man, doch Mike Patton verweigert den Blick zurück: „Es ist ungesund sich milder Vergangenheit zu beschäftigen, wenn hinler dir ein Killer geht, und du bleibst stehen und drehst dich um. trifft er dich mitten ins Gesicht. “ Aber erschießen kann er dich doch von hinten genauso … Ja, aber manchmal ist es besser, es nicht kommen zu sehen. „

In der verdrängten Vorgeschichte der Band tauchen dennoch zwei Namen auf. die Erklärung bedürfen: ein gewisser Slash und ein Duff McKagan haben Faith Nor More schon 1989 bei der Live-Präsentation von „The Real Thing“ zu ihren Lieblingskindern erkoren, und wurden nicht müde, sie in Interviews lobend zu erwähnen. Gerade haben Faith No More mit Guns N 1 Roses ein Europatour absolviert und auch in den USA werden sie sie noch begleiten. „Vielleicht müssen sie an uns ihre soziale Ader demonstrieren, sowas soll ja vorkommen, wenn man richtig berühmt ist. Für uns ist es großartig, wir müssen nicht so hart arbeiten, spielen jeden Abend 45 Minuten und haben dann frei. Nein, im Ernst, sie haben uns mit dieser Tour eine große Chance gegeben und dafür kann man nur .Danke‘ sagen. “ Nirvana, die Ritter unter den Musikmillionären sollen ein derartiges Angebot der großen Gunsterweiser aus ideologischen Gründen abgelehnt haben … „Schwachsinn, jede Band verkauft sich. Wir sind alle Huren. Wenn man in einer Band ist, muß man sehr früh erkennen, daß man alle seine Rechte irgendeinem Zuhälter opfert. Wer etwas anderes behauptet ist entweder scheißarrogant, oder versucht mit der Ehrlichkeitsmasche noch mehr zu verkaufen. „

Und all die Kids, die sie ahnungslos bewundern? „Ich lese ihre Briefe mit Vergnügen. Es ist mein kleiner perverser Spaß, daß ausgerechnet mir Leute ihre Probleme schreiben. Oder ist es nicht der Sinn des Lebens, über anderer Leute Mißgeschicke zu lachen ?“