warum gibt es eigentlich immer weniger musik sogenannte musik-tv?


Wo einst Musik spielte, werden heute verstärkt Blutegel verspeist und Witze gerissen. Was ist passiert?

Dass Musik abseits Moik-Schunkelei und Castingshow-Flachsinn im deutschen Fernsehen nicht gerade als großer Quotenbringer gilt, ist nichts Neues. Von den Redakteuren großer UnterhaLtungssendungen werden die musikalischen Darbietungen ihrer Showgäste seit Jahren gefürchtet, weil der klassische Mainstream-Zuschauer sie offenbar notorisch zur Pinkeloder Wegzapp-Pause nutzt. Otto Mustermann erlebt David Bowie eben lieber plaudernd auf Gottschalks Sofa als bei der Ausübung seines Berufs. Neu ist aber ein anderes Phänomen: Es ist immer weniger Musik drin, wo „Musikfernsehen“ draufsteht.

Wie meistens im TV-Geschäft fing es m den USAan. Dort macht MTV seitmehr als drei Jahren u.a. mit Formaten wie dem längst auch bei uns populären „Jackass“ Quote. Und was für den Sender im Stammland funktioniert, findet sich meist bald auch in den Programmen seiner internationalen Ableger wieder. „In den USA macht Musik nur noch gut30 Prozent des MTV-Programms aus, in Deutschland soll es nichtso weit kommen“, versprach Programmchef Elmar Giglinger gegenüber der FAZ. „MTV macht in Deutschland Musikfernsehen plus Entertainment, in den USA istes inzwischen Entertainment plus Musik.“

Schuld waren also die Zuschauer?

Dennoch schmolz im rekordheißen Sommer 2003 auch hierzulande der Musikanteil wie Schnee in der Sonne: Im Juni kündigte MTV für den Herbst vierneue Formate an, darunter die Datingshows „Taildaters“ und „Burned“. Eine der neuen Shows, „Doggy Fizzle Televizzle“, hat immerhin einen Musiker als Moderator: Snoop Dogg. „MTVfährt Zuschauerrekord ohne Musik ein „, meldete im Juli der Branchendienst Musikwoche.de. Der Sender hatte mit seinen Kanälen MTV und MTV Pop seine bisher höchsten Marktanteile erreicht; besonders erfolgreich: die deutsche Version der Kuppelshow „DisMissed“.

Nur wenige Stunden später meldete auch der Konkurrent Viva (der mittlerweile auch den Verkauf von Klingeltönen zu seinen Geschäftsfeldern zählt) seine bisher besten Quoten seit dem Programmstart im Jahr 1993. Den Erfolg führten die Kölner auf ihre „Programmoffensive“ zurück: Auch sie hatten seit dem Frühjahr den Anteil reiner Musiksendungen in ihrem Programm reduziert -zugunsten von Comedy-Shows wie „Da Ali G Show“ oder „Crank Yankers“. Dazu Viva-Gründer Dieter Gorny gewohnt wortgewaltig in einem Interview mit der welt: „Wir sind mit einer neuen Generation von Mediennutzern konfrontiert, die äußerst schwer zu greifen isr.“Will heißen: das Publikum des „Kindersenders“ (der Spiegel) zappt bei Clips immer häufiger weg.

Nicht nur: Der Schwund in den Kassen der Plattenfirmen macht sich längst beim Ausstoß an Videoclips bemerkbar, dem bislang wichtigsten und obendrein kostenfreien Programmfutter für MTV, Viva oder auch Onyx. „Ein ganzes Genre droht seine Geschäftsgrundlage zu verlieren“, schwante denn auch dem Spiegel im Oktober. Tatsächlich wird es immer schwieriger, die wenigen wirklich musikjournalistischen Sendungen wie etwa Vivas „Fast Forward“ mit passenden Clips zu bestücken. „Für viele Singles unserer Künstler gibtesgarkeineVideos mehr“, klagte denn auch Moderatorin Charlotte Röche genervt. „Und wenn, dann sehensieoftaus wie für zehn Euro gedreht.“

Download killed the videostar? Mal sehen. Tja, und dann ist da ja noch die Werbewirtschaft. Die investiert in Zeiten schwindender Budgets vor allem in so genannte „quotenstarke Programmumfelder“. Womit wir wieder bei den Herren Mustermann und Bowie wären.