Weder glitschig noch elektrisch – aber unendlich traurig. Die Eels machen Musik, die einzig und allein der Kummer schrieb


Viel war im Vorfeld spekuliert worden, welcher Band die Ehre zuteil werden würde, als erstes Signing des Labels DreamWorks in die Annalen der Rockgeschichte einzugehen. Die Experten munkelten gar, daß R.E.M. ihren neuen Vertrag bei David Geffen, Jeffrey Katzenberg und Stephen Spielberg unterschreiben würden. Nun sind Stipe und Co. bekanntlich bei Warner geblieben. DreamWorks präsentiert unterdessen die Eels. Wen? Die Eels. ME/Sounds traf deren Mastermind, einen gewissen E.

E? Einfach nur E? Wofür soll der fünfte Buchstabe des Alphabets stehen, etwa für Eels, Ecstasy, Enigma? „Das kann sich jeder denken, wie er will. So werde ich eben schon seit Jahren von meinen Freunden gerufen“, so E’s einfache Erklärung. Schlicht und einfach E alles andere sei ihm zu viel der Interpretation. Mr. E, der gerne die Farben seiner Fingernägel (derzeit schwarz) und Haare (gelb) wechselt, hat unter selbigem Pseudonym bereits zwei Soloalben veröffentlicht. Doch sowohl ‚A Man Called E‘ (1992) als auch ‚Broken Toy Shop‘ (1993) floppten gnaden los. Die Konsequenz: Der 30jährige verlor seinen Plattendeal bei der amerikanischen Polydor. Aus der Traum vom erhofften Star-Dasein, vom Entrücktsein der gemeinen Welt. „In dieser Zeit war ich ziemlich down. Aber wenigstens habe ich damals meine wahrscheinlich besten Songs geschrieben. Spätestens nach dieser Niederlage war es Zeit für mich, in mein Innerstes zu horchen. Und das hat ja auch etwas Gutes, so eine Art Selbsterfahrung.“

Musik als Therapie. Ein altbewährtes Schema findet bei den Eels neue Verwirklichung. Nach dem verdauten Mißerfolg sollten zwei andere Menschen E’s Leidenschaft) teilen. Denn vom Solodasein hatte er erstmal die Nase voll. Das Ende von E war der Anfang der Eels, die sich 1995 in Los Angeles formierten. Die neuen Akteure im ersten Akt der Geschichte der Aale: Schlagzeuger Butch und Bassist Tommy. Der frisch gegründete Dreier raufte sich schnell zusammen und spielte zwöf wunderbar melancholische Songs für das Debütalbum ‚Beautiful Freak‘ ein. Als Co-Producer schnappten sie sich Michael Simpson, der als einer der „Dust Brothers“ die Beastie Boys mixte und hinter den Kulissen erfolgreich die Fäden für Beck zieht. Was den Sound nicht unmerklich beeinflußt hat: Große Grunge-Gitarren treffen auf HipHop-Beats, TripHop-Loops und Glockenspiel. Eine bestechende Mischung, die das herzzerreißende Sinnieren von E’s verletzlicher Sangesstimme eindringlicher und variabler nicht untermauern könnte. Die Grenze depressiver Monotonie wird so nur zart gestreift. Kurz vor der augenscheinlich endgültigen Seelenbetäubung zerstören ungewöhnlich fröhliche Klänge den düsteren Tenor.

‚Novocaine For The Soul‘, der Eröffnungssong auf dem Album, ist eine Hymne auf die vielen Talfahrten im Leben, die für E das Leben „erst richtig lebenswert machen“. Sein Credo: „Wer behauptet, immer glücklich zu sein, der lebt nicht“. Eine gute Portion Traurigkeit fand immer Platz im Leben des nachdenklichen Idealisten. Aufgewachsen in Virginia, entdeckte er mit Sechs die Liebe zum Schlagzeug, Klavier und Gitarre kamen wenig später dazu. Nach der Schule war für ihn klar, daß Songwriting sein „einzig wahres Ding“ ist. Entgegen der Pläne seiner Eltern, schlug er sich 20jährig mit Gigs in kleinen Bands durch und komponierte sich seinen unerklärlichen Kummer von der Seele, den er wohl schon die Wiege gelegt bekommen haben muß. „Um mich herum wußte irgendwie keiner, was er mit seiner Zeit und seinem Leben anfangen sollte. Fast alle meine Freunde gaben sich selbst auf, hatten keinen Bock auf nichts mehr, nahmen Drogen oder griffen zum Alkohol. Ich wollte die Ausnahme sein“, erinnert er sich. Also machte er Musik. Das College hat ihn nie wirklich interessiert, lieber verkroch sich E in seine engen vier Wände und schrieb Songs über unglückliche Beziehungen. „Und davon gab es leider genug. Meine Freundinnen waren fast alle selbst Musikerinnen, das sind die interessanteren Menschen. Naja, und weil Genie und Wahnsinn so nahe beieinander liegen, waren die Beziehungen dementsprechend schwierig.“ Beziehungskrisen gepaart mit einem Karriereknick – und die Depression war perfekt. Zunächst suchte E Hilfe in einer Psychotherapie. „Bis ich festgestellt habe, daß die beste Therapie für mich wohl die Musik ist.“

Den sehnsuchtsvollen Titelsong ‚Beautiful Freak‘ hat er seiner letzten verflossenen Liebe gewidmet. Einer Frau, die in seinen Au-

gen „zu gut für diese Welt“ war. Auch sie hat damals ihren Plattendeal verloren. „Vielleicht war sie auch zu gut für mich“, denkt E zurück, „jemand hat mir erzählt, daß sie mir unglaublich viele Songs gewidmet hat.“ An die 30 Stück sollen es sein.

Daß er seine innersten Gedanken nun regelmäßig vor einer großen Zuhörerschaft auf der Bühne offenbaren soll, stört ihn nicht: „Manche mögen damit vielleicht ein Problem haben. Mir fällt es leichter, meine Gefühle vor 1000 Leuten auszubreiten, als sie einer einzigen Person zu gestehen. Meine Songs sind wie eine Mission. Sie sollen dazu da sein, den Leuten draußen zu zeigen, daß Traurigkeit keine Schande ist. Jeder kann sie überwinden, wenn er es nur will. Wer nur noch leidet, ist auch nicht mehr in der Lage, gute Songs zu schreiben.“