William Fitzsimmons


Aufwachsen mit James Taylor, in der Natur stehen mit John Denver, Nick Drake das Herz schenken und von Bon Iver therapiert werden – der Singer/Songwriter aus Illinois kann sich aber auch mit Pop einen guten Tag machen.

Damit bin ich aufgewachsen …

James Taylor

„Fire And Rain“ (1970)

Meine Großmutter war sehr streng, meine Mutter hingegen war eher ein Hippie, sie war vernarrt in Folk, sie mochte Joni Mitchell, James Taylor und John Denver. Man kann im Nachhinein schwer trennen: Mag ich diese Musik, weil ich sie objektiv gut finde, oder weil sie mich daran erinnert, ein Kind zu sein und mit meiner Mutter zu singen? Der erste Künstler, der mir bewusst aufgefallen ist, war James Taylor. Bis heute macht mich seine Stimme ganz ausgeglichen.

Der Soundtrack für den Rückzug aufs Land …

John Denver

„Rocky Mountain High“ (1972)

Nach all den schlechten Erinnerungen in Pittsburgh, wo ich die ersten 20 Jahre meines Lebens verbracht habe, war Illinois eine ganz neue, weit offene Welt für mich. In der Natur zu sein hilft beim Schreiben. Es gibt keine Ablenkung. Man kehrt dahin zurück, wo wir herkommen. We’re just dirt and blood come out of the ground. Genau wie John Denver in „Rocky Mountain High“ über die Berge und die Vögel singt und darüber, einfach in der Natur zu sein.

Auf Tour höre ich …

David Wilcox

Big Horizon (1994)

Wenn man auf Tour ist, verliert man jede Bindung, dann brauche ich Musik, die mich erdet. Den meisten Platz auf meinem iPod nimmt David Wilcox ein, ein eher unbekannter Folksänger. Er ist für mich der wichtigste Musiker überhaupt. Ich habe ihn genau im richtigen Alter entdeckt, als Teenager, nachdem ich meine Led-Zeppelin-Coverband verlassen hatte. Wilcox spielt Gitarre, als wäre sie ein Teil seines Körpers. Seine Songs sind so ehrlich, jedes Wort, jede Note bedeutet etwas. Ich höre jeden Tag ein paar seiner Songs. Sie sorgen dafür, dass ich mich zu Hause fühle. He’s my go-to guy.

Diese Musik hat für mich therapeutische Wirkung …

Bon Iver

For Emma, Forever Ago (2008)

Musik kann therapeutisch wirken. Eine Therapie sorgt für eine kathartische Erfahrung, man entwickelt Einsichten, die das eigene Handeln verändern. In den vergangenen Jahren war Bon Iver mein Therapie-Künstler. For Emma, Forever Ago kam heraus, als ich mit The Sparrow And The Crow auf Tour war. Als ich den Song „re: Stacks“ hörte, bin ich völlig zusammengebrochen. Das ist nicht gerade cool, aber: Ich musste weinen. Es ging mir zu der Zeit beschissen, und dieses Album hat mir geholfen, da durchzukommen. Das ist das verdammt noch mal Beste, was jemand über die Musik, die man macht, sagen kann – wenn jemand zu mir kommt und sagt: „Ich habe das und das durchgemacht, und deine Musik hat mir geholfen.“ Das ist wundervoll. Das ist alles, was ich je erreichen wollte.

Dass es okay ist, seine Musik für Werbung zu verkaufen, lernte ich von …

Nick Drake

„Pink Moon“ (1972)

Ich habe Nick Drake erst durch eine Auto-Werbung entdeckt, in der „Pink Moon“ lief. Und das hat wirklich mein Leben verändert. Ich arbeitete damals in einer psychiatrischen Klinik in New Jersey, und als dieser Spot im Fernsehen lief, ließ ich alles stehen und liegen, um zuzuhören und herauszufinden, wer das ist. Noch am selben Tag habe ich mir das Album gekauft. Als Jahre später zum ersten Mal jemand einen meiner Songs im Fernsehen verwenden wollte, dachte ich: „Hätten sie Drakes Musik nicht verwendet, um Autos zu verkaufen, hätte ich nie einen der wichtigsten Menschen – nicht nur Musiker: Menschen! – kennengelernt, auf den ich je gestoßen bin.“

Ein Guilty Pleasure …

Lily Allen

It’s Not Me, It’s You (2009)

Dieser „Das und nur das ist gut“-Snobismus langweilt mich. Ich war früher selber so, aber inzwischen finde ich, dass man dadurch wahnsinnig viel verpasst. Ich mochte zum Beispiel das letzte Lily-Allen-Album unheimlich gern. Man erwartet von mir wahrscheinlich, dass ich so etwas nicht mag, aber ich habe It’s Not Me, It’s You immer und immer wieder gehört, das ist so ein tolles Pop-Album.

Randnotizen

* William Fitzsimmons wuchs als Kind zweier blinder Eltern in Pittsburgh auf. In seiner Jugend lernte er Klavier und Posaune, später brachte er sich autodidaktisch das Gitarrespielen bei. Zwei in Eigenregie produzierte, folkinspirierte Singer/Songwriter-Alben erschienen 2005 und 2006. Das erste professionelle Studioalbum The Sparrow And The Crow verarbeitet Fitzsimmons‘ Scheidung.

* Fitzsimmons lebt in einer 20 000-Seelen-Gemeinde in Illinois. Er hat Psychologie studiert und mehrere Jahre als Psychotherapeut gearbeitet.

* Seine Songs wurden in Fernsehserien wie „Grey’s Anatomy“, „Teen Wolf“ und „One Tree Hill“ verwendet.

* Fitzsimmons ist ein sehr nahbarer Künstler und tauscht sich gerne mit seinen Fans aus. Im besten Fall hat man ein Fläschchen „Tannenzäpfle“ für ihn dabei. Dieses Bier liebt er über alles.

Der nächste Musikexpress erscheint am 9. Februar 2012