Willy DeVille


Bei Plattenfirmen hat er keine guten Karten. Willy DeVille, als "Mink DeVille" einst Liebling der Kritiker, steht mit dem Business auf Kriegsfuß. ME/Sounds-Mitarbeiter Jörg Feyer sprach mit einem ernüchterten Mann, der Kunst und Kommerz partout nicht vereinbaren kann.

Die größte Enttäuschung?“ Ein aufgeräumter Willy DeVille muß nicht lange überlegen, wenn er die Negativ-Bilanz seiner inzwischen 11 Jahre währenden Karriere ziehen soll. „Die größte Enttäuschung war, sich überhaupt mit diesem Geschäft einlassen zu müssen.

Ich liebe Platten, ich bin ein Fan. Und so. als Fan eben, kam ich in dieses Geschäft. Dann mußte ich erkennen, daß es nichts mit Kunst zu tun hat, sondern daß es eben ein Geschäft ist wie andere auch – ein kaltes, hartes Geschäft. Ich dachte immer, daß jeder in diesem Business steckt, weil er die Musik liebt – also war es wohl die größte Enttäuschung erkennen zu müssen, daß jeder wegen der Kohle drin ist – nicht aus echter Liebe zum Rock’n’Roll!“

Daß Kunst und Kommerz nicht immer zueinanderfinden, mußte gerade William Borsay, so sein bürgerlicher Name, immer wieder erfahren. Unvergessen etwa die traurige Kontroverse um sein drittes Album LE CHAT BLEU, das zunächst ins Archiv verbannt wurde und Willys Laufbahn längere Zeit lähmte. Droht jetzt eine ähnliche Zwangspause?

Laut Polydor-A&R-Mann Michael von Hülse hat das für DeVille zuständige Office in London die anstehende Option auf eine Vertragsverlängerung nämlich nicht wahrgenommen. Doch Willy selbst will von einem vertragslosen Zustand nichts wissen. „Es hat ein paar Gerüchte gegeben, aber ich weiß gar nicht, woher diese Informationen kommen.“

Von Industrie-Seite wird DeVille oft fehlende Professionalität vorgeworfen. Wenn er sich „nicht in der Verfassung“ fühlt, sagt der Künstler kurzerhand auch schon mal wichtige TV-Auftritte ab. Willy ist eben „nicht einfach zu handeln“, wie es von Hülse ausdrückt, der schon bei WEA für DeVille arbeitete, als der noch mit dem Zusatz „Mink“ antrat.

Apropos: Weshalb überhaupt diese Namensänderung? Und wieso werben die Tour-Plakate zusätzlich mit einer Mink DeVille-Band?

„Ich hoffe“, erklärt Willy, der nach einer erfolgreichen Drogenrehabilitation in New Orleans wieder in New York zuhause ist, „daß ich den Namen Mink irgendwann überhaupt nicht mehr benutzen muß. Ich möchte lieber als Künstler ich selbst sein, denn ich war ja tatsächlich schon Mink DeVille geworden, bis zu dem Punkt, da mich die Leute auch Mink‘ nannten.

Außerdem fühlte ich, daß ich dabei war, mich musikalisch zu wiederholen. Besonders auf das Saxophon hatte ich überhaupt keinen Bock mehr. Diese ganzen Haarspray-Reklamen, in denen Models, die gar nicht spielen können, ein Saxophon in die Hand gedrückt bekommen, haben mich total abgetörnt. Die Songs, die Stimme – das ist alles, was jetzt zählt. Keine R & B-Routine, keine James Brown-Einlagen, keine Otis Redding-Licks – Mann, ich kam mir ja fast schon vor wie in der alten Ike & Tina Turner-Revue! Irgendwie deplaziert.“

Einen potentiellen Produzenten für sein nächstes Album, das er trotz unklarer Vertragsverhältnisse schon in diesen Wochen angehen will, hat Willy DeVille bereits ins Auge gefaßt, mochte aber in unserm Gespräch noch keinen Namen nennen. Fest steht nur, daß Mark Knopfler vorerst nicht wieder die Regie übernehmen wird. „Sowas macht man nicht zweimal“, bilanziert er das MIRACLE-Album. “ Vielleicht in ein paar Jahren wieder, aber nicht gleich im Anschluß. Da gibt es zu viele Wiederholungen. Aber ich war sehr zufrieden mit der Platte. Mark war sich von vornherein bewußt, daß sie nicht wie Dire Straits klingen sollte, sondern wie Mark Knopfler und Willy DeVille. Wir waren sehr vorsichtig mit seinen Soli, überhaupt mit seiner ganzen Gitarrenarbeit.“

Während seine Plattenkarriere derzeit ungewiß ist, hat Willy längst andere Gefilde erobert – kaum verwunderlich für einen Musiker, der stets mit Künstlern anderer Gattungen befreundet war. Mit Mickey Rourke zum Beispiel, der schon immer der Meinung war, „daß mein Gesicht sehr gut fürs Kino geeignet ist“, und Willy eine Rolle in seinem neuen (Boxer-) Film „Homeboy“ offerierte. „Ich spiele einen ,bad guy‘, einen Ex-Banlam-Gewichtler mit einem kranken Bein, der als Bodyguard für einen Mobster-Typen tätig ist. Es geht ums Boxen auf niedriger Ebene, also nicht so wie Rocky mit Weltmeisterschaft, sondern sehr wirklichkeitsnah – schmutziger, rauher und gemeiner.“

Als kleiner Zocker war er bereits in dem deutschen Spielfilm „Va Banque“ zu sehen. Außerdem stand Willy kürzlich zusammen mit Soul-Veteran Solomon Burke vor italienischen TV-Kameras, um den Streifen „Video Life“ abzudrehen. „Solomon spielt einen Produzenten, ich den Künstler, der in einem Video umgebracht werden soll, um seine Popularität zu erhöhen. Das Thema ist schon ein bißchen krank, aber dennoch ein ganz guter Film.“

Große Schwierigkeiten, sich auch vor einer Filmkamera entsprechend in Szene zu setzen, hatte Willy nicht. “ Wenn du bereits als Performer auf der Bühne gestanden hast, ist es relativ leicht. Denn ein Konzert ist bis zu einem gewissen Grad ja auch schon Schauspielerei, auch wenn der Film eine ganz andere Art von Konzentration erfordert, weil du die einzelnen Szenen oft zigmal wiederholen mußt. “ Und wie gedenkt der Sänger Willy DeVille künftig zu bestehen – als Künstler, der sich wohl oder übel auf einem konkurrenzträchtigen Markt anpreisen muß?

„Ich lege es in Gottes Hände. Was immer passiert – passiert eben. Bis jetzt ist Gott ziemlich gut zu mir gewesen. Ich meine, ich habe Dinge getan, die die meisten Leute ins Grab gebracht hätten – wie eine Katze, die neun Leben hat. Ich habe nicht immer auf einem Bett mit Rosen gelegen, aber ich bedauere nichts. „