In der Nähe von New Orleans residiert Willy DeVille, zusammen mit Ehefrau Lisa und einem ganzen Zoo. Ein Hausbesuch beim Magic Man des Rock’n’Roll.


ES IST MITTE MAI, UND DIE SONNE steht schon ziemlich hoch in Picayune, 40 Autominuten nördlich von New Orleans. Trotzdem trägt Willy DeVille einen seiner vielen Lederanzüge, die ihm seine Schweizer Schneiderin Trudy Jost-Posch seit 17 Jahren näht und die aussehen wie aus dem letzten Jahrhundert. Mit seinen langen schwarzen Haaren und der wachsweißen Haut wirkt er darin wie eine Mischung aus Vampir und Musketier. Für die kniehohen Stiefel hat der 45jährige wenigstens eine vernünftige Entschuldigung: „Hier gibt’s so viele Schlangen, deshalb muß ich hohe Schuhe tragen.“ Ganz zu schweigen von den beunruhigend großen Krokodilen, die ab und zu über Willys Grundstück kriechen.

Der New Yorker Musiker hat vor vielen Jahren der Metropole an der Ostküste den Rücken gekehrt, „weil ich die Nase voll davon hatte, immer im pinkfarbenen Hemd und mit dünnem, schwarzem Schlips rumzulaufen. Und weil mir die New Yorker zu cool sind. In Los Angeles sind die Menschen zu karrierebesessen. Deshalb haben die auch alle keine Kinder. Ich glaube, die fressen ihre Kinder auf.“

Nachdem er eine Zeitlang im French Quarter von New Orleans gelebt hatte, zog Willy raus in die Sümpfe, um der psychischen und physischen Gesundheit willen. „Solange ich im French Quarter wohnte, war es schwierig, nach Hause zu gelangen, ohne in einer der Bars hängenzubleiben und ein Bier zu trinken. Aus einem Bier wurden zwei, drei und mehr. Und am Ende wankte ich stockbesoffen nach Hause.“

Jetzt wohnt er direkt an der Grenze zwischen Louisiana und Mississippi, aber schon im Bible Belt. „Hier kriegst du nicht mal ein Glas Wein, während ein paar Kilometer weiter die Leute sturzbetrunken auf der Straße umkippen. Und mein ehemaliger Haushälter ging erst mit seiner Freundin ins Bett, nachdem er sie geheiratet hatte. Da war er immerhin schon Mitte 20“, amüsiert sich Willy.

Wir sitzen in seinem höchsteigenem Zimmer, in das seine Frau Lisa höchstens mal zum Kaffeebringen hereinguckt. Sie fühlt sich hier auch nicht besonders wohl, weil Willy nicht nur diverse Indianerkostüme an die Wände gepinnt, sondern auch seinen ganzen Voodoo-Kram aufgebaut hat. Das kleine Zimmer könnte durchaus als Kulisse für einen Anne Rice-Film („Interview mit einem Vampir“) dienen. Auf dem Tisch stehen ausgehöhlte Büffelschädel als Aschenbecher und Obstschalen, dazu ein Kinderoberschenkelknochen aus einem Voodoozubehörladen, dessen Besitzer vor kurzem verhaftet wurde, weil er mit menschlichen Überbleibseln handelte. Auch die Fledermaus, die über Willys Schreibtisch hängt, stammt von ihm. Daneben starrt ein Plastikschädel mit einer Irokesenperücke aufmunternd auf die Schreibfläche. Dieses Ambiente muß besonders anregend wirken, denn an diesem Möbelstück hat sich Willy das Material seines neuen Albums „Horse Of A Different Colour“ ausgedacht. Die Ideen notiert er von Hand. Computer verabscheut er. Dafür ist Lisa zuständig. Wie auch für die Pferde, die draußen vor der Tür auf der Koppel stehen. Die DeVilles züchten nämlich Lusitanos, eine portugiesische Pferderasse, die in den USA äußerst selten ist. „Ich halte es wie Michelangelo. Der hat mal entdeckt, daß Pferde fast so schöne Lebewesen sind wie Menschen“, erzählt er.

Neben dem knappen Dutzend Pferden, die hauptsächlich von Lisa geritten werden („sie lernt gerade portugiesischen Stierkampf zu Pferde, ich dagegen bin nur ein durchschnittlicher Reiter“) lebt noch ein halber Zoo auf dem riesigen Grundstück um das Haus, das aussieht wie ein Graceland für weniger Betuchte. Der Architekt war wohl ein Elvis-Fan“, sagt Willy trocken. Fünf Katzen und ebensoviele Hunde bevölkern allein das Haus. „Ich hab die Übersicht verloren“, sagt der Hausherr und schubst Dixie vom Schoß, eine abenteuerliche Promenadenmischung, die mit ihrem hennagefärbten Haarkamm an einen Gremiin erinnert.

Obwohl die Sonne inzwischen etwas tiefer steht, ist es immer noch brütend heiß. „Normalerweise würde ich jetzt in den Pool springen. Schwimmen ist der einzige Sport, den ich treibe“, sagt Willy und zeigt auf das bräunliche Gewässer hinterm Haus. „Aber ich müßte ihn wohl erst mal putzen.“