Erlebnisbericht

Wir haben den letzten Wanda-Verweigerer zu einem Wanda-Konzert geschickt


Unsere Praktikantin Enya Elstner musste zum Wanda-Konzert in Berlin – damit sie die Band endlich lieben lernt.

Ich habe wirklich versucht, Wanda zu mögen. Habe mir tapfer „Bologna“ angehört und „Bussi Baby“ – viereinhalb Millionen Klicks auf YouTube müssen schließlich etwas bedeuten. Und wenn du in Berlin überleben willst, dann hast du gefälligst Wanda-Fan zu sein. Bisher blieben zwar all meine Sympathie-Bemühungen ohne Erfolg, aber mein geschätzter Kollege Dominik Sliskovic hat mich beharrlich ermuntert, noch ein bisschen durchzuhalten: „Wanda ist wie ‚Club Mate’. Zuerst richtig scheiße und irgendwann kannste nicht genug davon kriegen.“ Bei mir hat sich diese Erfahrung bis heute leider weder bei Wanda noch bei ‚Club Mate’ eingestellt, aber weil beinahe die gesamte ME-Redaktion von den fünf Österreichern schwärmt, muss ich der Band einfach noch eine Chance geben – und was könnte mich besser von ihrem Talent überzeugen, als ihr Konzert in der ausverkauften Columbiahalle in Berlin? Eben. Rock’n’Roll! Mama, Papa, es war schön mit euch.

Ich bereite mich professionell auf das Konzert vor, trinke also ein, zwei Gläser Wein im Vertrauen darauf, dass mein angetrunkenes Ich auf den Wiener Akzent und die, sagen wir, ungewöhnlichen Texte besser anspringt als mein nüchternes. Als dieses angetrunkene Ich an der Columbiahalle ankommt, spielt die Vorband gerade diesen einen Wanda-Hit, „Bologna“. Auf Türkisch. Gefällt mir momentan noch besser als das Original.

Wanda covern Falcos „Out Of The Dark“

Der Saal ist bis auf den letzten Zentimeter vollgepackt mit Wanda-Fans. Zugegeben, ich hatte mit Jutebeuteln und den klassischen „Ich ziehe nach dem Abi nach Berlin, um mich selbst zu verwirklichen“-Hipstern (also Leuten wie mir) gerechnet. Wanda-Fans scheinen diese Phase jedoch größtenteils schon hinter sich gelassen zu haben, es wird geraucht, mehr Wein als Bier ausgeschenkt und ich schnappe Gesprächsfetzen über Wandbeläge und ökologisch wertvolle Kinderwägen auf. Als Presse-VIP – ich fühle mich verdammt privilegiert – laufe ich stur am Mob vorbei in die Loge. Die Stimmung ist weniger ausgelassen als in der Menge vor der Bühne, aber immerhin sehe auch ich mal etwas von der Band, statt nur – wie sonst bei Konzerten – auf schwitzende Rücken zu starren.

Immer wieder Bussi & Amore: So sahen Wanda live in Münster aus
Die Jungs kommen auf die Bühne, Gläser undefinierbaren Inhaltes in der Hand, das Publikum erinnert an hungrige Hyänenwelpen. Ich denke mir: „Bitte seid gut“, und Marco Michael Wanda antwortet mit: „AMORE, BABY!“ Marco beherrscht das Publikum, flirtet und versprüht Amore, das Sakko lässig übergezogen, als sei er nur eben aus dem Bett gesprungen, das Konzert die Kippe danach. Seine Stimme ist live kräftiger und rauer als die Studio-Aufnahmen das abbilden konnten. Er springt auf der Bühne auf und ab, dreht sich, trinkt ab und zu noch einen Schluck Wein und grölt sich die Seele aus dem Leib. Das Publikum verfällt ihm und ich falle mit.

Wanda spielen, als ginge es um Leben und Tod. „Irgendwann bringen die sich noch um“, denke ich und prompt lässt Marco sich rücklings auf die Bühne fallen, er setzt sich in Szene, weiß um seine Wirkung. „Alles was ich will, ist Schnaps“, singt er und stürzt sich in die Menge, die ihn gewissenhaft zur Bar trägt. Er trinkt einen Kurzen, verteilt weitere an die Menge. Hach, ist das schön. Rock’n’Roll.

Austrian Championship: Bilderbuch vs. Wanda

Leicht verwirrt stolpere ich nach dem Konzert aus der Halle und muss mir erst bewusst werden, wo und in welchem Jahr ich mich befinde. Ein verlässlicher Indikator dafür, dass es ein gutes Konzert war. Und das war es ohne Zweifel.

Zugegeben, die Musik ist noch immer nicht ganz meins. Die rockigen Ansätze gefallen mir, den Witz der Texte kann ich jedoch größtenteils nicht nachvollziehen. „Ich bin ein einfacher Typ ohne viel Hirn, aber Baby, ich brauch’ dich nah bei mir“, klingt für mich eher nach schlechtem, aber völlig ernst gemeintem Schlagerpop als nach „der letzten großen Rock’n’Roll-Band“ – ganz im Gegensatz zu der Bühnenpräsenz der fünf Österreicher. Sie ziehen die Leute in den Bann mit ihrer Energie, spielen, trinken und rauchen, als gäbe es kein Morgen. Tut mir einen Gefallen und seht euch Wanda live an! Wenn sie mit ähnlicher Hingabe so weitermachen, gibt es dafür vielleicht nicht mehr viele Gelegenheiten.

Youtube Placeholder

An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.