Wir waren auf der Albumrelease-Party von Samy Deluxe und es war unpeinlicher als erwartet


Eingebettet in ein absurdes Setting, wohnten wir einem Rap-Abend ohne echte Eskalation, dafür aber mit verdammt gutem Sound und Samy in Bestform bei.

Donnerstagabend, keine fünf Minuten vom berühmten Berliner Ku’Damm entfernt, liegt der Teufel Raumfeld Flagshipstore in einem dieser neueren, viel zu großen und viel zu hippen Berliner Malls. Gegenüber stehen ein paar Touris bei Kentucky Fried Chicken an und starren gelangweilt aus dem Fenster der Hähnchen-Grillbude zu uns auf die andere Straßenseite. Wir stehen dafür vor dem schicken Sound-Shop und bei uns geht’s heute nicht um Hähnchen, sondern um – was für eine sinnige Schlussfolgerung in einem Laden voller Boxen und Kopfhörer – Musik. Dass Rap-Urgestein und Dynamite-Deluxe-Mitgründer Samy Deluxe ausgerechnet hier sein Album-Release zu BERÜHMTE LETZTE WORTE feiert, ist schon ein wenig skurril. Wenn man als Rapper den Zenit seines Erfolgs hinter sich hat, muss man offensichtlich Kompromisse eingehen. Sein Auftritt in dieser Location scheint einer davon zu sein.

 

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21:30 Uhr. Wir stehen inmitten einer Mixtur aus echten Fans, die Karten für die Veranstaltung gewannen, und Medienfuzzis wie uns. Also ab zum Kühlschrank, in dem Mollen für lau aufgebahrt sind und nur darauf warten, in unsere vor Aufregung schon ganz trockenen Kehlen gespült zu werden. Dem Publikum sieht man die Zweigeteiltheit in der Auswahl an: Die echten Samy-Fans sehen auch aus wie echte Fans. Baggy-Pants, Caps, längere Haare, ein bisschen so, als wäre man auf einer HipHop-Party von lässigen Sakter-Dudes Ende der 90er gelandet. Der Rest ist Berliner Szene-Publikum mit locker drapierten Schals, Lederjäckchen und Dreitagebart. Ach, und Teddy von Teddy Comedy ist da auch irgendwo.

Um viertel vor zehn erscheint der Maestro dann samt seines DJs Vito auf der kleinen Bühne und gibt den Boxen ordentlich Zunder – und dem Publikum tatsächlich Euphorie. Plötzlich ist es scheissegal, wo diese Veranstaltung stattfindet. Scheissegal, dass die Jüngeren unter uns Samy wahrscheinlich eher durch seinen Auftritt in der Vox-Show „Sing meinen Song“ kennen (auf die er auch dankenswerterweise noch einmal hinweist), als durch seine legendären Reime als Samsemilia aka Wickeda MC, dem dauerbreiten Bars-Killer aus Eimsbüttel.

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Samy performt mit Leidenschaft und hat sichtlich Spaß daran, den Fans eine geile Vorstellung zu bieten. Ein paar Typen in der ersten Reihe rappen bereits viele der Song-Lines des am 28. April erschienenen neuen Albums mit. Samy hat das mitbekommen und scherzt, ob sein Album denn vorab bei WikiLeaks gelandet sei (weil is ja auch voll politisch und so). Nach vier neuen Songs, darunter das bereits als Single veröffentlichte „Mimimi“ und das catchy „Haus am Mehr“, gibt er den Lautsprechern den nötigen Druck – dank ASD- und alten Samy-Songs, auf die hier alle gehofft haben.

Volksnah steigt der Rapper von seiner Mini-Bühne inklusive Rapperpult herab. So nennt er die Konstruktion gleich eines Rednerpults mit Teufel-Boxen und Samy-Logo. Dann steht er da, leicht ergraut, mit Brille, Jogginghose in Yoga-Optik (ab den Knien abwärts eng, oben weit) und seinem Mic in den Händen und killt die Beats, als wäre es wieder 2001 („Weck mich auf“) oder 2003 (ASD-Banger „Sneak Preview“). Und siehe da: Das Publikum, selbst die Szene-Heinis, tanzen und rappen mit, „bis das Haus hier brennt.“ Nach einer knappen Stunde ist der Auftritt rum, ein bisschen geschwitzt hat man tatsächlich und das trotz des wohl klimatisierten Store-Kellers, in dem der Sound ehrlicherweise sehr gut klingt. Die machen das ja mit den Boxen auch nicht zum ersten Mal.

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Im Anschluss posiert Samy, ganz Mann des Volkes, noch brav mit Fans für Fotos, verkauft mit zwei Kollegen seine neue Platte plus Merch und macht ein bisschen Smalltalk. Jaja, früher war alles geiler, die „grüne Brille“ saß irgendwie besser und überhaupt war Rap damals noch realer. Blendet man aber auch die fragwürdige „Herr Sorge“-Phase aus, dann ist das neue Album tatsächlich gelungen. Die Beats klingen auch dank des Produzenten Bazzazian wieder nach dem Rap alter Tage, die Reime fließen und mit 20 Tracks spart Samy auch nicht an Material. Wir hätten da zwar noch ein paar Fragen an Herrn Deluxe gehabt, doch die erörtern wir beim nächsten Mal. Dann aber bitte wieder mit Weed-Duft in der Luft und ohne Sicherheitspersonal, das einem den Weg zur Toilette weist. Ein bisschen rough sollte Rap halt schon noch bleiben dürfen.