Zugezogen Maskulin


Über die Romantik der grau betonierten Häuserschluchten Berlins wurden spätestens Mitte der Nullerjahre auch jene Musikhörer aufgeklärt, die HipHop eher am Rande verfolgten. Berlin holte sich öffentlich das Genre zurück, setzte ihm seine grimmige Maske auf. Auch heute gilt: Wer woanders herkommt, hat es nicht so leicht. Schon gar nicht, wenn dieses woanders eine Kleinstadt bei Oldenburg oder das ebenso wenig metropolische Stralsund ist.

Dies sind die Heimatorte von Moritz alias Grim104, bzw. Hendrik aka Testo. Sie gestehen: Ja, wir sind zugezogen. Gemeinsam nennen sich die beiden Mittzwanziger Zugezogen Maskulin und sind eines der spannendsten HipHop-Duos Deutschlands.

Während die Beats Leihgaben von beispielsweise Kendrick Lamar sind, bewegen sich die originellen Texte zwischen doppelten ironischen Böden. Referenzpunkte wie K.I. Z. sind durchaus zulässig. Beliebtes Ziel der Häme war zuletzt Hipster-Rap der Marken Casper und Cro, zu sehen im Video zum Song „Undercut Tumblrblog“, das eine Parodie auf „Easy“ von Cro ist. Herausragende Textzeile des Stücks: „(…) Ich mag Croissants nicht – Hä, wie meinst du das? – Na ja, ich mag Cros Songs nicht.“ Hier werden Rapper angeklagt, die Style over Substance stellen oder morgens ein paar Bahnen in Selbstmitleid schwimmen. Hart muss Rap deshalb noch lange nicht sein, er braucht nur Inhalt. „Wenn ein Rapper etwas zu erzählen hat, kann er auch über U-Boote oder Einhörner rappen“, sagt Hendrik.

Der Name von Zugezogen Maskulin ist eine Hommage an Kool Savas und Taktloss, die sich Ende der 90er-Jahre Westberlin Maskulin nannten und konsequenten Battle-Rap mit drastischer Berliner Schnauze etablierten. Grim104 und Testo sehen sich aber nicht als Sprachrohr für unterdrückte Exil-Berliner. Hendrik, der vor Kurzem mit TÖTE DEINE HELDEN ein Solo-Album veröffentlicht hat, sagt: „Es ging eher darum, von Anfang an klarzustellen, dass wir unsere Wurzeln woanders haben. Bevor irgendjemand anfängt zu meckern und schreit: ‚Hey, die kommen gar nicht aus Berlin!'“. Zugezogen – und maskulin -, so rappen die beiden im Song „Häuserkampf“, seien Kollegen wie Marteria, Bushido, Massiv und Casper schließlich ebenfalls.

Der Song entstand zur Anfangszeit des Duos Ende 2010 und ist eine Schatzkiste voll zitierfähiger Reime und Ideen. Hier greifen die zwei die Erwartungen der Neulinge auf, die erst lernen müssen, was eine Schrippe ist, genauso wie das ablehnende Verhalten der Platzhirsche. Besonders die Art, mit der Letztere behandelt werden, birgt eine großartige Zeile: „Alles unter fünf Generationen hier wohnen, ist Urlaub machen“.

Mit ihrem eigenen Umzug nach Berlin haben die beiden alles richtig gemacht, das wissen sie. Ihre Heimat ist für sie Urlaub und Erholung, für die Karriere war Berlin der beste Schritt.

Ein Label haben sie übrigens noch nicht. Vorerst verschenken sie ihr formidables erstes Mixtape „Kauft nicht bei Zugezogenen“ im Internet oder laden ihre Raps bei YouTube hoch. So wird in Berlin weiter dankbar an Musik geschrieben, bis das für 2013 anvisierte Album fertig ist. Vielleicht ja mit einem Track über Einhörner.