Wu-Tang Clan

A Better Tomorrow

Warner

Entgegen allen Erwartungen dirigiert RZA sein Diven-Ensemble noch einmal mit Erfolg. Das Ergebnis: kohärenter Retro-Rap mit dezenten Updates.

Ein besseres Morgen hat viel mit Gestern zu tun. Zumindest gilt das in der Welt des Wu. Ihr Afrofuturismus speiste sich stets aus Versatzstücken der Vergangenheit, dem Geist der Lost Poets, dem Soul der 60er, den Weisheiten des alten China. Auch in dieser Hinsicht ist A BETTER TOMORROW das beste Clan-Album seit The W, vielleicht sogar das beste seit dem monumentalen WU-TANG FOREVER von 1997.

Denn RZA ist es gelungen, den Sound, mit dem er vor mehr als 20 Jahren die HipHop-Welt auf den Kopf stellte, so gefühlvoll anzupassen, dass er einerseits auch einer Truppe von Mittvierzigern gut zu Gesicht steht, andererseits aber jene Energie versprüht, die diese sehr spezielle Band ausmacht. Dabei schien das längst unmöglich, der Clan war in drei Lager gespalten: auf der einen Seite die Retro-Rapper Raekwon und Ghostface Killah, die die Sehnsüchte ihrer Kernklientel bedienten; auf der anderen Seite RZA, der sich in seiner Revoluzzer-Rolle mehr und mehr verzettelte. Für den Rest interessierte sich niemand mehr. 8 DIAGRAMS von 2007 war Zeugnis dieser Spaltung. Nicht nur lästerten diverse Mitglieder öffentlich über die wilden Sound-Experimente ihres einstigen Mentoren. Auch stellte sich zu keinem Moment der Eindruck ein, hier zögen Gleichgesinnte an einem Strang.

A BETTER TOMORROW unterscheidet sich fundamental von diesem Flop. Natürlich entspringt auch diese Platte nicht einer launigen Session von Kumpels, ist ebenso das Stückelwerk vieler Jahre. Jedoch hat es RZA diesmal geschafft, die verschiedenen Ansätze und Ambitionen so zu moderieren, dass sie sich zu einem stimmigen Ganzen fügen. Da sind die souligen Sample-Schmeichler, bedeckt von Staub und Edelrost („Necklace“, „Crushed Egos“, „Never Let Go“). Da sind die leicht windschiefen Synthie-Symphonien der Forever-Ära („Pioneer The Frontier“, „Felt“). Und da sind die Uptempo-Bretter, wie sie einst „Gravel Pit“ im Wu-Kanon etablierte („40th Street Black“). Dazwischen platziert RZA geschickt neue Ideen. So etabliert er den Sänger Nathaniel, der auf fünf Stücken zu hören ist, als quasi vollwertiges Bandmitglied und würzt seine Arrangements mit Einflüssen aus Country („Preacher’s Daughter“) und Stadionrock („Miracle“).

Die anderen Rapper tun mit der Gelassenheit des Veteranen, was sie am besten können: GZA gibt den Wissenschaftler, Method Man den Frauenhelden, Ol’ Dirty Bastard dem Wahnsinn eine Stimme. Ja, genau, Ol’ Dirty Bastard: RZA hat ein paar unveröffentlichte Zeilen des 2004 gestorbenen Gründungsmitglieds ausgegraben und kongenial integriert. Da geht einem Fan das Herz auf. Und wenn zum Abschluss mit perfekt dosierter Rührseligkeit die „Family Reunion“ besungen wird, bleibt endgültig kein Auge mehr trocken. Souveräner kann man die Mission eines Wu-Tang-Albums im Jahr 2014 nicht zum Erfolg führen.