Archive

Restriction

Dangervisit / PIAS Cooperative / Rough Trade

Die Londoner Elektro-Prog-Avantgardisten liefern ein Meisterwerk ab.

Archive nehmen es mittlerweile gelassen hin, dass sie in ihrem Heimatland nur eine Fußnote in der Pop-Kultur bilden. Das britische Künstlerkollektiv gehörte weder zur ersten Welle des TripHop, noch eroberte die Band elektronisches Neuland oder revolutionierte den Progressiv-Rock.

Und doch verfügt der Fusion-Sound der 1984 in London gegründeten Archive über Alleinstellungsmerkmale, die sie nie zu einem Teil einer hippen Bewegung werden ließen. Und für die englische Presse schon gar nicht zum Objekt der Begierde, wobei das recht schwache Album, der Soundtrack AXIOM nicht gerade hilfreich war, diesen Zustand auf zu hübschen. Gerade einmal neun Monate später aber präsentieren sich die von Pink Floyd beeinflussten Archive nicht nur gewaltig verbessert, sondern gleich in Höchstform. Wenn es nicht jetzt auf der Insel zum kleinen Durchbruch langt, wann bitte dann?

Auf RESTRICTION verzichtet die Gruppe, die wieder mit unterschiedlichen Vokalisten ( je zwei Männern und Frauen) arbeitet, weitgehend auf epische Ausschweifungen. Ein Dutzend Songs verteilen sich auf knapp eine Stunde Spielzeit, in denen es Archive ungewöhnlich oft krachen lassen. Wuchtige und teilweise verzerrte wie grimmige Sounds dominieren „Kid Corner“, ein düsteres Lied über einen Waffenladen für Kinder. Jaja, Botschafter wunderbarer und positiver Nachrichten waren Archive selten, und so erzählen sie in dem von Störgeräuschen durchsetzten „Ride In Squares“ von Gentrifizierung, von Hoffnungslosigkeit.

Gleich drei Songs handeln von der Liebe, aber jedesmal kommt eine andere Stimme ans Mikro, bestimmt eine andere Perspektive das Thema. Was es natürlich wesentlich spannender macht, so wie sich Archive auf RESTRICTION überhaupt dadurch auszeichnen, die emotionalen und musikalischen Pole weit voneinander wegdriften lassen. Hier zarte Lieder, da von Punk angehauchter Power-Pop („Feel It“) , Prog-Rock mit Funk-Elementen steht im Kontrast zu aufgewühlten Keyboard-Klängen, Hochgeschwindigkeits-Rhythmen („Ladders“) zu entrückten Sounds. RESTRICTION ist kein langer ruhiger Fluss, Archive laden diesmal zum Rafting mit gelegentlichen Erholungspausen.