Carl Barât & The Jackals

LET IT REIGN

Cooking Vinyl/Indigo

Zehn extrakantige Rohdiamanten des Libertine aus den finsteren Minen von Solorockhausen.

So überraschend gut dieses Album auch sein mag, es liegt einem einzigen Problem zugrunde – in zweieinhalb Monaten wird die Platte: kein Schwein mehr interessieren. Dann suchen alle auf den frisch gekleisterten Plakaten im europäischen Umland nach der exakten Stelle der Libertines im Line-up von Festival XYZ. Gleichzeitig wird ein neues Album kommen, das gut oder nicht gut sein mag. LET IT REIGN steht jetzt schon in dessen Schatten.

Für Carl Barât, der sich mit Peter Doherty The Libertines ausdachte, waren die Projekte abseits der Band immer Momente, um sich musikalisch zu emanzipieren: die Hafenbar-Schunkler mit Dirty Pretty Things, die Piano-/Streicher-Beichten auf dem ersten Soloalbum, allerlei dazwischen – mal ein spooky Synthie-Duett mit Client,  mal ein Nick-Cave-Kylie-Moment mit Vanessa Paradis. Aber: Selbst das, was meilenweit entfernt vom Libertines-Kosmos angesiedelt war, musste sich dem Vergleich stellen. Und anders geht es auch LET IT REIGN nicht (besonders da die Libertines sich zurzeit im Studio befinden). Denn so gut klangen Doherty und Barât eben nie wieder wie gemeinsam am Mikro, in den Momenten, in denen sich ihre Stimmen umspielten wie zwei tollende Kätzchen. Diese wärmenden Gesten, die die Libertines-Romantik immer sofort zum Leuchten brachten, fehlen auf LET It REIGN.

Die per Internet-Annonce zusammenge­casteten Jackals sind bloße Rahmenhandlung in Barâts Gefühlskabinett. „No I don’t have the strength to accept what I can’t change“, heißt es auf „Let It Rain“, was wiederum zu den unweigerlichen Libertines-Vergleichen passt. Mit dieser simplen Einsicht, es eh nicht allen recht machen zu können, hat Barât hier ein paar der untypischsten, härtesten Songs seiner Karriere eingespielt: „The Gears“ stolpert zwar los wie einst „Horror Show“, bevor es einen tollen Queens-Of-The-Stone-Age-trifft-Buzzcocks-Haken schlägt; der verschleppte Morgen-danach-Kater „Glory Days“ wird durch Beastie-Boys-Percussionist Alfredo Ortiz zusammengehalten, während eine anschwellende Overdrive-Gitarrenwand den Refrain von „War Of The Roses“ trägt. Mitunter klingt Barâts Stimme allzu gepresst, um gegen das Dröhnen der Jackals anzukommen. Weil dahinter aber eine gut aufgestaute Rotzigkeit steckt, wie sie lange nicht von ihm zu hören war, ist Nörgeln eher unangebracht. Viel enger braucht er den Nietengürtel nicht stellen. Das sitzt schon.