Fat White Family

Songs For Our Mothers

Without Consent/[PIAS] Coop/RTD VÖ: 22. Januar 2016

The politics of Wahnwitz: Diese Band ist spannender als der komplette Britpop und -rock der Stunde.

Ein Kritiker des britischen „Guardian“ hat das, was die Fat White Family auf der Bühne so produziert, zuletzt einmal mit einem Autounfall verglichen, der uns anhalten und gaffen lässt, nur um zu beschleunigen und mitten rein zu rasen. Man möchte ja auch ein bisschen „Spaß“ haben.

Die Band um Sänger Lias Saoudi und Gitarrist/Co-Songwriter Saul Adamczewski übt sich gerne in abweichendem Verhalten und einem Anarcho-Humor, den die Linke schon nicht mehr lustig findet. Auf ihrem Debüt CHAMPAGNE HOLOCAUST (mit dem schweinischen Hammer- und Sichel-Cover) brachten sie ein Heer von Dämonen in Stellung, die von Sex und pädophilem Verlangen, von Politik und anderem Schmutz erzählten. Und kippten diese ihre Begleiter mit Injektionen von derangiertem Rock’n’Roll, Country und Blues sofort wieder vom Sockel. In diesem Akt verwandelten sich ihre Songs in Manifestationen schönsten Wahnwitzes – Spiegelbilder der bösen Banalität im Hier & Jetzt. Konsum, Gentrifizierung, der normale Kapitalismus, you name it.

Album Nummer zwei war eine veritable Herausforderung, und die Family begeht nicht den Fehler, das auf eine Art inkommensurable erste Werk toppen zu wollen. SONGS FOR OUR MOTHERS geht mehr in die Tiefe, watet durch den Sumpf der Psyche und bringt dabei neben Spurenelementen von Rock’n’Roll und Surf („Whitest Boy On The Beach“, „Satisfied“, co-produziert von Sean Lennon) mehr Drones und Psychedelic Jams ins Spiel.

Krautrock können sie auch. Und Songs, die von Gesängen mitgenommen werden, welche David Bowie oder Mott The Hoople in ihren Musterköfferchen vergessen hatten, Songs mit dem erklärten No-Go „Love“ im Titel. „Love Is The Crack“ heißt das dann bei der Family. Der „Duce“ hat einen hymnischen Chor hinter sich, „Lebensraum“ krängt, wie ein Slow Waltz nur krängen kann, und dieser faschistische Raum ist das Disneyland unserer Albträume, das die Band auf Album Nummer eins noch bombardiert hatte.

„Goodbye Goebbels“ zum Finale – der Trip in den Führerbunker, ein Schunkler aus dem menschenverachtenden Delirium, der ohne Textstudium auch als Weihnachtslied für einen traurigen Abend bei der Heilsarmee durchginge. Das ist kaputter und spannender als der komplette Britpop und -rock der Stunde, und wer sich einen Reim auf diese Reime machen möchte, sollte die Band am besten live erleben. Fürs Erste sind Fat White Family die Mothers Of Invention der Saison 2016.