Slow West :: Regie: John Maclean

Der beste europäische Western seit Spaghetti-Zeiten: ein blutiges Gedicht über die Liebe und den Moment des Sterbens

Wenn jemals einem amerikanischen Genre der letzte Hauch von romantischer Verklärung ausgetrieben worden ist, dann dem Western. Das Musical darf immer noch bunt und unbeschwert sein, der Noir-Thriller hat kein Problem damit, jedes noch so ausgelutschte stilistische Klischee immer wiederzukäuen. Nur der Western ist ein getretener Hund. Darf nicht mehr ungestraft den Blick schweifen lassen über verheißungsvolle Weiten, darf nicht mehr träumen von einem noch unberührten Land, das Zukunft verspricht. Der Western hat hoffnungslos zu sein und muss jämmerliche Geschichten erzählen, weil so die Zeit wirklich war und nicht wie im Kino von John Ford und Howard Hawks. Auch in „Slow West“ herrscht nicht eitel Sonnenschein.

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Im Regiedebüt des schottischen Rockmusikers John Maclean, der schon bei der Cover-Gestaltung für seine Beta Band ein Händchen fürs Visuelle bewies, wird gestorben – sinnlos und erbärmlich. Sein Amerika ist ein grausamer Ort, in dem jeder nur auf den eigenen Vorteil bedacht ist. Aber der Film lässt auch Romantik zu: Sein Held ist getrieben von Liebe, ein hagerer Bursche namens Jay Cavendish, der den weiten Weg von Schottland in den Westen angetreten ist, um die Frau zu finden, die er liebt. Wenn wir ihn zum ersten Mal sehen, hat er schon ein gutes Stück zurückgelegt, und allein das ist ein Wunder. Denn Jay ist gemacht fürs Schwärmen und das Schöngeistige, nicht aber für das Halsabschneiden, das ihn erwarten würde, wenn er nicht zufällig an den zynischen Kopfgeldjäger Silas geraten wäre – gespielt von Michael Fassbender wie Clint Eastwood in „Der Texaner“ –, der ihn gegen Bezahlung begleitet. Ihre Beziehung ist das Herzstück des Films. Es geht um ihren Glauben an die Menschlichkeit und der wird auf harte Proben gestellt.

Macleans beachtliche, in Neuseeland gedrehte Szenen kommen einem immer vertraut vor, laufen aber doch nie so, wie man es erwartet. „Slow West“ verhält sich zum Western wie Neuseeland zu den USA: Es fühlt sich nicht ganz richtig an, aber fast besser als das Original. Ein Western, wie ihn die Amerikaner in den 70ern gemacht haben, aber mit Herz und Seele von Emir Kusturica, mit surrealen Bildern und einem unbarmherzigen Showdown: Wie hier der in Blut versinkende Traum des einen die Zukunft des anderen ermöglicht, das ist verdammt gelungenes Kino.