Steve Gunn

Eyes On The Lines

Matador/Beggars/Indigo

Das feine Gitarrenalbum: Der Amerikaner zelebriert das Klirren und Singen der Saiten im Bandverbund und begeht weite musikalische Landschaften.

WAY OUT WEATHER hatte ein wenig das Pech, etwas spät im Jahr 2014 veröffentlicht zu werden, um noch die gern gelesenen Jahrescharts der Musikinformationskanäle zu erreichen. Vielleicht lag es auch daran, dass das Gros der Songs auf Steve Gunns Vorgängeralbum die Qualitäten ausgeschlafener Slowburner besaß. Aber hatte man diese Stücke mit den formidabel ineinandergedrehten Gitarrenmelodien erst einmal für sich gewinnen können, wollten sie einem nicht mehr von der Seite weichen.

Gunn schlägt anderthalb Jahre später mit EYES ON THE LINES auf dem fruchtbaren Boden allgemeiner Hochschätzung auf, und diese neun neuen Stücke tun sich alles andere als schwer, den direkten Weg zum Auditorium zu finden. Mit „The Drop“ hat er wieder einen Song im Programm, der Virtuosität auf der Stelle mit bezirzenden Harmonien in Verbindung bringt (wie „Milly’s Garden“ auf WAY OUT WEATHER).

Insgesamt bewegt sich Gunn, der in den vergangenen Jahren auch für den US-Kollegen Kurt ­Vile spielte, etwas von den folkorientierten Stücken von 2014 fort, seine Bandmitglieder verleihen den schön geschwungenen Gitarrennarrativen einen sanften Rückraum; wir hören Lap-Steel, Dobro, Harfe, Wurlitzer und Flöte. In den dichten Momenten hat das etwas von einer West-Coast-Familie, die sich gerade auf einen Trip ins Laid-Back-Paradies begeben hat.

Man muss sich jetzt nicht gleich die Ü‑60-Grateful-Dead-Erinnerungsgemeinde im Freudenkreis vorstellen, wie sie diese Musik zelebriert, aber Gunn hat das Referenzenalbum weit aufgeschlagen. Und wer dort etwas verweilt, mag an die versponnenen Momente von Quicksilver Messenger Service denken, zwischen gefühlten 35 Gitarren die Byrds oder Moby Grape entdecken oder sich einfach nur verlieren in diesen aus klirrenden, singenden Layers zusammengebauten Begehungen weiter Landschaften und offener Himmelsbilder.