„Designated Survivor“ ist in Wirklichkeit ein Remake von „24“ – hier sind die Beweise


Ihr vermisst den guten alten Jack Bauer und die bösen Terroristen aus dem Binge-Wegbereiter „24“? Kein Problem: Schaut einfach „Designated Survivor“!

Über neun ereignisreiche Tage und einen Zeitraum von zehn Jahren hinweg war Jack Bauer unsterblich. In „24“ rettete der von Kiefer Sutherland gespielte Bundesagent etliche Male die USA, deren Präsidenten und die Welt: In jeder der acht zwischen 2001 und 2010 ausgestrahlten Staffeln sowie der sechsteiligen Miniserie bekämpfte Bauer Terroristen mit allen Mitteln, die recht und unrecht waren.

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Das Besondere daran: Erstens wurde jede Staffel „24“ in Echzeit erzählt, zeigte also in meist 24 Folgen die Geschehnisse eines einzigen Tages. Zweitens reagierte „24“ oft und oft auch gezwungenermaßen auf das tatsächliche Weltgeschehen. Manchmal sagte sie es sogar voraus. Die erste Staffel etwa, in der ein Mordkomplott gegen den ersten schwarzen US-Präsidenten vereitelt werden muss, wurde kurz vor 9/11 gedreht, danach hielt Folter als Allzweckwaffe Einzug in Bauers Handeln. In Staffel 7 reagierten die Macher auf die Kritik an dieser Darstellung, Bauer musste sich vor Gericht für seine Methoden verantworten. Auch darüber hinaus veränderten sich die Bedrohungen: Die Terrorangriffe wurden immer digitaler, die Verräter in den eigenen Reihen immer ranghöher. Bauer wurde derweil stets als Chuck Norris der Post-9/11-Generation inszeniert.

Was all das mit „Designated Survivor“ zu tun hat? Nun: Die bisher in zwei Staffeln laufende Netflix-Serie verzichtet zwar auf den Echtzeit-Modus, erzählt im Grunde aber eine exakt gleiche Geschichte, nur dass Bauer, pardon, Sutherland diesmal selbst der US-Präsident ist.

Déjà-vu

Die grobe Handlung von „Designated Survivor“ ist schnell erzählt: In Washington fliegt während der Rede zur Lage der Nation das US-Kapitol in die Luft. Der amtierende Präsident und scheinbar alle Kongressmitglieder sterben bei dem Attentat. Als sogenannter „Designated Survivor“ (Notfallüberlebender) wird der politisch unerfahrene Tom Kirkman, studierter Architekt, Wohnungsbauminister und Familienvater, zum neuen Präsidenten ernannt. Fortan muss er nicht nur das Weiße Haus, die US-Bürger, die Presse und sich selbst davon überzeugen, dass er den Job packt, sondern auch, mithilfe des FBI, die Drahtzieher hinter dem Anschlag ausfindig machen. Die Terroristenjagd darf beginnen, Kirkman wächst selbstverständlich mit seinen Aufgaben.

Aus diesen Gründen ist Netflix eigentlich ziemlich scheiße
Wem der Anriss des Plots von „Designated Survivor“ noch nicht reicht, um frappierende Ähnlichkeiten zu „24“ ausgemacht zu haben, dem geben wir hier einige weitere Beweisstücke an die Hand:

Die Dialoge

„I have to call the president immediately.“

„Don’t trust anyone.“

„This thread is more serious than we thought.“

„We need your decision – NOW!“

Würde man ein Bullshit Bingo aus Phrasen aufsetzen, die in „24“ fielen – man könnte es fast 1:1 auch auf „Designated Survivor“ übertragen.

Sutherland als einsamer Wolf

In „24“ beginnt Jack Bauer als sehr straighter Bundesagent, der im Verlauf der Serie immer einsamer wird. Erst verliert er seine Familie, dann seinen eigentlichen Arbeitgeber, zwischenzeitlich wird er selbst zum meistgesuchten Mann der Welt – ein Held bleibt er trotzdem. Tom Kirkman wird auf einen Schlag der einsamste Mensch der Welt: Wenn du plötzlich Präsident wirst, kann dir auch die liebenswerteste Familie nicht mehr helfen. Von all den Neidern, Besserwissern, Intriganten und neuen Feinden um dich herum ganz zu schweigen.

Terroristen aus dem Nahen Osten!

Merke: Der Täter ist nicht der Täter ist nicht der Täter ist nicht der Täter! Dieses Prinzip griff schon bei „24“, es hat auch bei „Designated Survivor“ System: Immer dann, wenn der mutmaßliche Attentäter geschnappt oder eliminiert zu sein scheint, kann man sicher sein, dass es weitere oder gar ganz andere Strippenzieher gibt. In „Designated Survivor“ fanden sie erst in Algerien nach Majid Nassar, dann überall nach Ex-Cia-Agent Nestor Lozano, dann nach einem…

Maulwurf im Weißen Haus!

Und schließlich, als der irgendwann ausgemacht ist, entpuppt sich ein steinreicher amerikanischer Geschäftsmann als wahrer Hintermann des Kapitol-Anschlags und all den darauf folgenden Attentatsversuchen. Noch wach? In „24“ wurde diese Kette bereits ausgereizt: Spätestens dann, als der Präsident persönlich ein Verräter war und Bauer einen Atomkrieg abwenden musste, musste man sich zu recht fragen, was denn da Bitteschön noch kommen sollte.

Kal Penn

Kal Penn spielt in „Designated Survivor“ den sympathischsten Charakter von allen: Als Seth Wright wird er von Präsident Kirkman wegen seiner Aufrichtigkeit vom Redenschreiber zum Pressesprecher befördert, beide Jobs erledigt er ziemlich gut. Könnte an seinem Hintergrund liegen: Penn, eigentlich Schauspieler, arbeitete während Barack Obamas Amtszeit selbst immer wieder als Berater für das Weiße Haus. Er beriet auch die Macher „Designated Survivor“, und wer sich die ganze Zeit vor allen Dingen fragt, woher er Penn außer seiner Hauptrolle in den „Harold & Kumar“-Filmen kennt: In der sechsten Staffel „24“ spielte Penn eine Nebenrolle als Terroristen-Handlanger Ahmed Amar.

Seine Frau vs. Audrey Heller

Jack Bauer verliert gleich zu Beginn von „24“ seine Frau. Im Laufe der Staffeln lernt er immer wieder andere Frauen können, in keine aber verliebt er sich so sehr wie in Audrey Heller, Tochter des Verteidigungsministers James Heller. Audrey wird irgendwann selbst Opfer von Terroristen und Dramaturgie. Schaut man sich Jahre später Tom Kirkmans Frau Alex in „Designated Survivor“ an, könnte man fast an eine Wiederauferstehung von Audrey Heller glauben, so sehr ähneln sich die beiden. Eventuell ja auch in ihrem Schicksal.

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Hannah Wells ist Jack Bauer

Da Sutherland nun den Präsidenten spielt, kann er zumindest operativ schlecht in die Verbrecherjagd eingreifen. Diesen Job übernimmt deshalb FBI-Agentin Hannah Wells, gespielt von Action-Star und Fotomodel Maggie Q. Wells ist das weibliche Pendant zu Bauer: Als Einzige durchschaut sie die Pläne der Terroristen, als einzige stellt sie sich ihnen auch im Nahkampf. Selbstredend mit mehr Erfolg als Rückschlägen.

Sutherland verzieht in „24“ und „Designated Survivor“ keine Mine

Ein Grund, warum viele Menschen sich „24“ und auch „Designated Survivor“ niemals anschauen wollen: Kiefer Sutherland galt vor 30 Jahren mal als einer der jungen Wilden, ist aber kein guter Schauspieler. Freude, Schmerz, Gleichgültigkeit kennen bei ihm nur einen Gesichtsausdruck (und das, obwohl gerade in „24“ wohl nur die Terroristen mehr Pein ertragen müssen als er selbst). So wie Til Schweiger oder Kanye West, nur nicht ganz so unsympathisch. Zudem fungiert Sutherland hier als Executive Producer, hat also auch selbst Geld aufgetrieben. Wer sonst sollte also hier den Präsidenten spielen? Etwa Kevin James, mit dem Fans bereits Kevin Spacey in „House Of Cards“ ersetzen wollten?

Was anders ist?

Früher war Bauer der Outlaw, dem zum Erreichen seines Zieles (zu) viele Mittel recht waren. Als Präsident Kirkman, so scheint es, will er seine Fehler wieder wettmachen: Kirkman ist ein moralisch und rechtlich sehr korrekter Typ. Ungemütlichen Journalisten möchte er entgegen diverser Ratschläge nicht den Mund verbieten. Er trauert aufrichtig um jeden gefallenen Soldaten, der während eines Anti-Terror-Einsatzes stirbt. Er mauschelt nicht. Und er schlägt Gegner im Weißen Haus mit den Mitteln der Demokratie, der Konstitution und mit gesundem Menschenverstand. Das ist erfrischend und ermüdend gleichzeitig, zumindest in Staffel 1 aber auch spannend und unterhaltsam.

„Designated Survivor“: Staffel 1 und die erste Hälfte von Staffel 2 sind auf Netflix zu sehen. Die zweite Hälfte von Staffel 2 wird mit einer neuen Folge pro Woche Anfang März fortgesetzt. Eine dritte Staffel ist bisher nicht angekündigt.