Meinung

40 Jahre ‚UNKNOWN PLEASURES‘: Mit dieser Mode-Kollektion begraben Joy Division auch das letzte Stück Integrität


Das wegweisende Debüt UNKNOWN PLEASURES der Band um den verstorbenen Sänger Ian Curtis feiert in diesen Tagen sein 40. Jubiläum. Die hinterbliebenen Joy-Division-Mitglieder kümmern sich derweil um ein weiteres Rentenpolster.

Vor über 40 Jahren, um genauer zu sein, am 15. Juni 1979, erschien das Debütalbum von Joy Division. UNKNOWN PLEASURES sollte in den kommenden Jahren und Jahrzehnten unzählige Musiker und Musikerinnen inspirieren und in den Kanon der größten Alben aller Zeiten aufsteigen.

Das ikonische Albumcover von Peter Saville, dem Haus- und Hofgrafiker von Factory Records, ging seitdem hunderttausend-, vielleicht sogar millionenfach als Merchandiseartikel über den Ladentisch: Als T-Shirt, als Tasse, als Kissen – der Fantasie sind in diesem Wirtschaftsfeld bekanntlich kaum Grenzen gesetzt. Saville selbst sagte bereits vor Jahren sinngemäß: „Joy Division haben zwei Alben gemacht. Alles danach war nur noch Merchandise.“ Umso trauriger, dass nun ausgerechnet Saville als Erster seine letzte verbliebene Integrität über Bord warf, als die Londoner Hi-End-Streetwear-Boutique Goodhood an die verbliebenen UNKNOWN-PLEASURES-Protagonisten trat.

Aus "Die 75 einflussreichsten Platten aller Zeiten": Unknown Pleasures von Joy Division

Die Hauptstädter wollten zum 40. Jubiläum des Albums eine sogenannte „Capsule Collection“ in Zusammenarbeit mit einem Dutzend international renommierter Designer auf den Markt bringen und baten hierfür um die Freigabe des berühmten Coverarts. Saville gab ihnen – sicher zu einem nicht gerade schmalen Taler – seine Urversion heraus: Die ikonografischen Radiopulse, auf weißem Grund in schwarz dargestellt. Die weiteren Involvierten, darunter Joy Divisions/New Orders Bernard Sumner und Stephen Morris, nickten die Kooperation ab.

Goodhood gab die Vorlage nun an seine Designer, die daraus Arbeitsjacken (für ca. 205 Euro), Wolldecken (für ca. 527 Euro) und Teller (für ca. 48 Euro) erstellten. Selbst für ein schlichtes weißes T-Shirt, das so ähnlich (lies: wesentlich schöner) am 15. Juni kostenlos in Manchester verteilt wurde, verlangt Goodhood stabile 45 Euro.

Im Gegensatz zur Gratis-Verteilaktion vergangene Woche in Manchester, hängt die Joy Division x Goodhood-Kollektion jedoch mit keinem Spendenaufruf zusammen. Vielmehr scheint es so, als wollten Saville, Sumner und Co. den Hypebeast-Hypetrain aus stark limitierten One-Off-Drops einfach mal mitfahren und schauen, wie junge, wohlhabende Millenials – die wahrscheinlich mit 15 auch Metalband-Shirts bei H&M und anderen Fast-Fashion-Retailern gekauft haben, weil deren Logos so „edgy“ aussehen – heute auf Joy Division und sein Erbe reagieren. Dass sie genau damit ihr Erbe fatal entehren, ist ihnen anscheinend nicht so klar wie ihren Fans.

Deren gehässige Kommentare werden minütlich mehr und reichen von Unglaube („600 US-Dollar für eine Decke?!“, „Was soll ich mit einem Plastik-Feuerzeug, auf dem „Disorder“ steht?“ (Preis übrigens 7 Euro, Anm.), über die (rhetorische) Frage, was Ian Curtis wohl davon halten würde, bis zu feinsten Zynismus („Mist, hatte so inständig auf den UNKNOWN-PLEASURES-Buttplug gehofft!“, „Wo ist die Unterhose mit den UNKNOWN-PLEASURES-Schleifspuren?“).

Wer das geschmacklose Exklusiv-Merch-Spiel mitspielen möchte und unbedingt ein 60-Euro-Kissen in seinem Leben braucht: Die Joy Division x Goodhood-Kollektion geht am 28. Juni in den Verkauf. Doch Obacht: Ihr könnt die Teile nicht einfach so kaufen. Zuvor müsst Ihr Euch für die Zugangsrecht-Lotterie registrieren. Nur, wenn Ihr dort gezogen werdet, dürft Ihr auch shoppen – oder Ihr macht es einfach einem der Facebook-Kommentatoren nach: „Ich glaub, ich bestelle mir mein Shirt doch lieber bei Etsy.“

Zum 40. Todestag von Ian Curtis: Joy Divisions Vermächtnis
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