U.S. Girls

In A Poem Unlimited

4AD/Beggars/Indigo

Fast ein bisschen altmodische Popmusik schmiert uns Honig in die Ohren, denn dann klebt das Wort von Sex, Macht, Gewalt und Emanzipation besser.

Am Anfang vermochte Meg Remy mit ihren avantgardistischen Homerecordings unter dem Alias U.S. Girls vor allem musikalisch Verunsicherung bei ihren Zuhörern zu erzeugen. Von dort ist sie in über zehn Jahren, irgendwann umgezogen von den USA nach Toronto, einen langen Weg gegangen und näherte sich dabei immer mehr dem klassischen Pop und Rock der 60er an.

Den Grundton ihres sechsten Albums, in langen Sessions mit sehr vielen verschiedenen Musikern eingespielt, könnte man tatsächlich als „verführerisch“ bezeichnen. Das liegt vor allem an Remys hell liebreizender bis beinahe lüsterner Stimme, den catchy Melodien und der mal jazzigen, mal discothekigen und nur noch selten widerspenstigen Inszenierung. Doch können Songs verführerisch sein, die sich textlich vor allem mit Sexismus, Macht und Gewalt beschäftigen?

Ja doch, gerade dieses Nebeneinander von Anziehendem und Abstoßendem fasziniert uns zum Beispiel im Thriller-Genre seit jeher und kann auch dort, wo es auf den ersten Blick nur der Unterhaltung dient, emanzipatorische Ansprüche erfüllen. Dass Meg Remy beileibe nicht nur unterhalten will, macht sie schon im Opener „Velvet 4 Sale“ deutlich, in dem sie Rachefantasien gegenüber eines Missbrauchtstäters formuliert.

Die Spannung zwischen samtigem bis süffisantem Vortrag und hartem Inhalt, die sie in Stücken wie „Pearly Gates“ (St. Petrus öffnet erst seine Pforte, als sie seine für ihn öffnet), „M.A.H.“ (hieß als Vorabsingle noch „Mad As Hell“, hat dem verlogenen Präsidenten jedoch – geht es hier um Obama? – immer noch nicht verziehen!) und „Incidental Boogie“ („To be brutalized means you don’t have to think and life is easy when there is only pain to compete“) noch zu steigern weiß, trägt dieses Album auch durch die musikalisch etwas schwächere zweite Hälfte. Seinen „Explicit Lyrics“-Aufkleber hat sich IN A POEM UNLIMITED auf jeden Fall redlich verdient. Denn was die, die anderen lieber die Ohren zuhalten wollen, ja gerne vergessen: „explizit“ steht vor allem für „ausdrücklich“ und „deutlich“.

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