Hole


„IHR SEID VERDAMMT LANGWEILIG“, MEINT COURTNEY zu den trägen Kids, die schon seit Stunden in ihren Plüschsesseln kleben. Die haben bereits neun Bands hinter sich gebracht, sind müde, hungrig und alles andere als begeistert, jetzt noch die durchgeknallte Frau Love zu ertragen. Daran ist sie selbst nicht ganz unschuldig. In den letzten sechs Monaten hat Courtney die Welt einfach zu oft mit ihren grotesken Weisheiten bombardiert – in der Presse, im Fernsehen und im Radio. Da darf sie sich nicht wundern, wenn die Leute irgendwann genug von ihr haben. Das zeigte sich spätestens nach Veröffentlichung von „Celebrity Skin“, einem Album, das weit hinter den Erwartungen zurückblieb und ihrem Karriere-Durchmarsch einen empfindlichen Dämpfer verpaßte. Frisch geliftet, zu Schauspiel- und Model-Ehren gekommen, gerade im Jet-Set Fuß fassend, und dann das: die kalte Schulter ihrer Fans. Statt einer großen Tournee entschied sich Courtney vorerst für ein paar ausgewählte Gigs – in kleinen Clubs und bei Radiokonzerten. Die Erkenntnis ist ernüchternd: Selbst in ihrer Wahl-Heimat LA. ist das Feedback eher bescheiden. „Vielleicht turnt euch ja das an“, raunzt sie und lüftet ihr Baumwolltop. Nacktes Fleisch ist in den USA eben immer noch die beste Provokation. Und die Aktion sorgt tatsächlich ein wenig für Stimmung. Dabei erweisen sich Hole nach dreijähriger Live-Abstinenz in bester Verfassung. Frau Love trägt schwarzes Leder, sieht ihrem Idol Stevie Nicks immer ähnlicher, ist charmant bis witzig und frotzelt sogar mit ihrer Band, die weiterhin nur die Statistenrolle einnimmt. Das gilt insbesondere für eine neue Drummerin, von der niemand recht zu wissen scheint, wer sie eigentlich ist. Doch das ist an diesem Abend ohnehin sekundär. Denn obwohl das einstündige Set mit „Celebrity Skin“, „Awful“ und „Reasons To Be Beautiful“ einen Traumstart erlebt, stoßen die neuen Stücke längst nicht auf denselben Zuspruch wie einige Kostproben ihres Backkatalogs: „Babydoll“,“Miss World“oder „Asking For It“. Und das kotzt Courtney so richtig an. Erst läßt sie ein paar spitze Bemerkungen ab, dann kommt der blanke Busen und schließlich-als charmantes“fuckyou“noch der Balladenblock. Für das Gros der 14-I8jährigen ist das dann doch zu viel. Angesichts der abwandernden Massen müßte selbst Courtney erkennen, daß Hole inzwischen im Mainstream agieren. Folglich sollte sie peinlichst darauf achten, was sie vor welchem Publikum spielt. Ansonsten dürfte es in diesem Jahr noch öfter zu Loves berüchtigten exhibitionistischen Eskapaden kommen. Der Unterhaltungswert ihrer blanken Brust hielt sich aber, seien wir ehrlich, schon immer in Grenzen.