Ab in die Kleinstadt


Darwin Deez fehlte der Raum für seine Kreativität – also zog er für die Arbeit an seinem zweiten Album aus New York in die Provinz.

Es war eine Ochsentour: Ganze eineinhalb Jahre war Darwin Deez fast durchgehend auf Tour mit seiner nach ihm benannten Band, seinem Debütalbum und seinen berühmten Tanzeinlagen. Doch ausgerechnet eines dieser Konzerte sollte zum Grundstein für seine zweite Platte, Songs For Imaginative People, werden. Denn im Februar 2011 spielte Deez in Asheville. Die 80 000-Einwohner-Stadt am Rande der Blue Ridge Mountains muss eine besondere Aura ausstrahlen: US-Medien betitelten sie schon mit „New Freak Capital Of The US“ oder „One Of The Best Places To Reinvent Your Life“, Band Of Horses und The Avett Brothers nahmen hier Alben auf.

Die musikalische Infrastruktur stimmte also, aber auch die Stimmung in Asheville gefiel Deez: Schnell war er beeindruckt von dem Raum, den ihm die offene Landschaft und die freundlichen Einwohner dort boten. Nicht dass seine damalige Heimat, der New Yorker Stadtteil Brooklyn nicht weltoffen gewesen wäre – aber Deez fühlte sich einfach nicht mehr wohl im Big Apple. „Mir war New York einfach zu stressig. Dort kannst du nicht entspannen, nicht einmal im eigenen Appartement.“ Also zog er um: „Asheville gab mir die Chance, mich voll und ganz auf die Platte zu konzentrieren. Manchmal habe ich fünf Tage lang keinen Menschen gesehen, weil ich noch diese eine Stelle im Song fertig bekommen wollte. Das wäre in New York so nicht möglich gewesen.“ Der Ordnung halber sei erwähnt: In einem anderen Interview drückte er die Hoffnung aus, in der Stadt ein „Brooklyn outside of Brooklyn“ zu finden. Das Nachtleben etwa sei ziemlich cool, und er habe dort jede Menge alter Freunde.

Trotzdem: Man merkt den neuen Nummern eine gewisse Ruhe an. Die Songs For Imaginative People sind ausgefeilter komponiert als die Nummern des ersten Albums, und die Grundstimmung ist weniger euphorisch, stattdessen schlägt eine neue Nachdenklichkeit durch „I’m not leaving / This is just the place / I’ve been homeless since the dimples on her simple face“: „Chelsea’s Hotel“ handelt von dem Eigenheim, das er niemals bauen wird, für die Freundin, die niemals seine Freundin sein wird. Für solche Gedankengänge dürfte sich in New York keine Zeit finden zwischen den zwei, drei unterschiedlichen Jobs für die Miete und der unaufhörlichen Kontakteknüpferei im Big Apple. Seine Unbekümmertheit hat Deez aber nicht verloren. „Klar ist das, was ich jetzt mache, tiefgründiger als meine ersten Songs“, sagt er. Nach kurzer Pause beginnt er dann aber bis über alle Locken zu grinsen und fügt hinzu: „Aber ich weiß immer noch, wie man feiert“. Knapp dreihundert kreischende Teens und Twens werden das ein paar Stunden später bei seinem Konzert im Berliner Magnet nachdrücklich würdigen.

Albumkritik S. 82