Absolut auf dem Punkt


Die Queen Of German Soul singt jetzt englisch. Die Freiheit nimmt sie sich. Denn darum geht es Joy Denalane in der Musik- und darüber hinaus vor allem: um Freiheit.

Sie wirkt ein wenig ausgelaugt, berichtet von einem langen Interviewtag und davon, dass sie ihre beiden Söhne fast drei Wochen lang nicht gesehen hat. Joy Denalane sitzt als Gast bei ME-Kolumnistin Sarah Kuttner bei MTV, einen Tag vor denn Interview in München. „Bedankt“ sich bei Sarah, dass die unausweichliche Frage nicht gleich zu Beginn zu Sprache kommt. Aber man kommt halt nicht dran vorbei. Denn Joy Denalane, die Queen Of German Soul™, die mit ihrem Debüt mamani einen (den einzigen?) hörens- und glaubwürdigen Beweis antrat, dass Soul &. R’n’B in deutscher Sprache nicht einfach in liebestollem Weichspül- oder säuseligem Gutmenschen-Chartpop enden muss, hat sich entschieden, ein Album komplett in englischer Sprache aufzunehmen. In Philadelphia, nicht in Stuttgart.

Und deshalb muss sie nun Sarah erzählen, dass BORN & raised das Ergebnis eines langen Prozesses ist, der bei einem Konzert in New York begann, bei dem sie einige ihrer Songs übersetzt vortrug. Daraufhin entstanden in Zusammenarbeit mit Ehemann Max Herre und

Songwriter Sekou Neblett vfele englische Songs, während Versuche, einige der Texte „zurück“ ins Deutsche zu übertragen, scheiterten. Ganz einfach. Schön, wenn diese Frage vorab geklärt ist. Denn einen Tag später sitzt man einer sehr präsenten und aufmerksamen Joy gegenüber, mit der man über viele (andere) Dinge reden will. Über die Rassismus-Debatte im Vorfeld der FußbaU-WMbeispielsweise:“GriWsätzlich fand ich ja dieEmpfehlungvon diesem ehemaligen Regierungssprecher gut, denn das ist Teil der deutschen Realität, dass es Ballungszentren gibt, die nicht so angenehm sindfür jemanden, der anders aussieht.“ Eine Nachfrage Zum Thema Gesangssprache sollte dann aber doch erlaubt sein: Wenn es denn Versuche gab, die Songs zu übersetzen, fühlte sie sich doch dazu verpflichtet? „Nein, denn es hat sich für mich einfach nicht richtig angefiihlt, künstlerisch Kompromisse zu machen, um meinem Erfolg gerecht zu werden“, erklärt Denalane, „Ich hätte jetzt natürlich MAmani Teil zwei machen können. Das wäre auf jeden Fall verstanden worden. Aber ich bin Musikerin, und das bedeutetfürmich vor allem Freiheit. Und als ich dieses Gefühl hatte,Oh weia! Ich muss auch Sachen für meine deutschsprachigen Fans schreiben!‘, habe ich festgestellt: Nein, muss ich nicht.“ Erste Reaktionen im Forum ihrer Homepage fielen gemischt aus: „Dagab es Leute, diemeinten, das sei ja wohl ein ,bitch move‘. Ein .bitchmove’aber wäregewesen, das jetzt genauso fortzuführen.“

Anbiederungsversuche hat Joy Denalane auch gar nicht nötig. Schließlich war es Common persönlich, der sie dazu einlud, ihren Teil auf einem Remix seines Songs „Go!“ beizutragen. Und auch dass den neuen Songs jetzt u. a. Produktionen von Kanye Wests Mentor No ID und von Jake One (u. a. De La Soul) zu Grunde Hegen, ist ein Zeichen gegenseitigen Austauschs auf Jf hohem Niveau. „Es ist in Amerika angekommen, dass es lohnenswert ist, seine Beat-CDs international zu streuen“, erzahlt Denalane: „Man kommt an uieleBeats ran heute. Ich hab‘ welchezu Hause von Kanye West, aus der Zeit, als er noch ein Niemand war.“

Auf dessen Rezepturen zurückgegriffen hat sie indes nicht, die verwendeten Tracks wurden nach Max Herres Vorschlag noch einmal mit Live-Instrumenten neu eingespielt und kompositorisch verändert. Dass BORN fc RAISED sehr homogen und organisch klingt, mag aber auch am Selbstvertrauen und der Gelassenheit liegen, die Joy Denalane auch im Interview ausstrahlt: „born & raised ist für mich noch mehr auf dem Punkt als das erste Album, weil ich noch viel mehr auf dem Punkt bin. Ich kann mich viel besser formulieren. Ich fühl’mich so eins mitmir, ich kann’s gar nicht anders sagen.“ >» www.joydenalane.com –*