Aimee Mann


Aimee ist schon fast so etwas wie eine Ehrenengländerin. Schon in ihrer früheren Erscheinung als Frontfrau der glücklosen Bostoner Band Til Tuesday wurde sie vom Ur-Briten Elvis Costello „entdeckt“ und mit Backing Vocals und viel Lob beehrt. Später stieß ihr erstes Solo-Album ‚Whatever‘ in England auf ein derart lautes Echo, daß sogar zwei kleinere Hits herausschauten. Prompt beschlossen die Plattenfirmenkapitäne, die schlaksige Platinblondine ein halbes Jahr in London wohnen zu lassen, um beim Aufbau einer neuen Karriere von der englischen Vorliebe für (leichte) Exzentrik Gebrauch zu machen – ganz so, wie’s bei Tori Arnos schon wunderbar funktioniert hat. Nur leider kam dann wieder das geschäftliche Pech dazwischen, das Aimee Mann beharrlich verfolgt, seit Til Tuesday vor genau zehn Jahren mit dem US-Top Ten-Hit ‚Voices Carry‘ der große Durchbruch gelungen zu sein schien. Diesmal machte die Plattenfirma pleite – und Mann faßte eine Zukunft als Soundtrack-Komponistin ins Auge. Zu jener Zeit wurde sie von Geffen persönlich aus der professionellen Depression ins Studio gehievt. Erste Frucht dieser Verbindung: Aimees Album ‚Im With Stupid‘.

Der rammelvolle Konzertsaal versetzte die zierliche Sängerin sichtlich in Nervosität. Zunächst schien sie der Situation – die Fans himmelten sie an – nicht recht zu trauen. Das legte sich aber umgehend. Zu Hilfe kam ihr der „running gag“ mit ihrer permanent rutschenden Hose. Das Eis war endgültig gebrochen, als Aimee nach einer Viertelstunde eine Gitarrensaite riß und ihre Band (Gitarre, Piano, Bass und Drums) spontan einen Schunkelwalzer kredenzte, zu dem die schlaksige Sängerin kichernd Schüttelreime improvisierte. Dem folgte eine Serie von neuen Songs, die perfekt das Spektrum der Mann’schen Schreibkunst abstecken: Zuerst das fast akustisch gespielte, bittersüß-wunderbare ‚You Could Make A Killing‘, gefolgt vom aggressiven, melodiestarken ‚Superball‘, wo Mann gar fröhlich aufund abhüpfte und ihr Herz für ein schmutziges Feedback zeigte. ‚Amateur‘ (ein Hauch Costello war nicht zu verkennen), ‚Par For The Course‘, ‚All Over Now‘, ‚That’s Just What You Are‘ sowie fast der ganze Rest von Tm With Stupid‘ straften den Besserwisser Lügen, der mitten im Konzert auf meinen Kugelschreiber deutete und mir mit enttäuschter Miene den Rat gab zu schreiben, daß im Vergleich zum letzten Mal alles fad und richtungslos sei. Der Mann ist ein Sauertopf.