Alanis Morissette spricht über sexuelle Übergriffe in ihrer Zeit als Teenagerin in der Musikbranche


In der neuen HBO-Doku „Jagged“ über Alanis Morissette erzählt die Kanadierin vom übergriffigen Verhalten älterer Musikbranchenmänner, die ihr mehr als einmal im Alter von 15 Jahren Sex aufgezwungen hätten, den sie heute nicht mehr „consensual“ nennen würde, sondern „statutory rape“.

Dieser Tage erscheint die Dokumentation „Jagged“ von Alison Klayman über das Leben und die Karriere von Alanis Morissette zur Zeit ihres Erfolgsalbums „Jagged Little Pill“. Der Film ist Teil der Musikfilm-Reihe „Music Box“, in der zum Beispiel auch die Doku über Woodstock 1999 zu sehen war. Nach einem Bericht in der Washington Post, die den Film vorab sehen konnte, dürfte der Film ein weiterer #metoo-Moment für die Musikbranche werden.

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Früher Karriere-Start im kanadischen Fernsehen

In dem Film spricht Alanis Morissette über ihre Anfangsjahre in der Musikbranche. Die 1974 geborene Morissette kam schon früh in die Entertainment-Branche. 1984 sammelte sie in der kanadischen Kindersendung „You Can’t Do That On Television“ ihre ersten Schauspielerfahrungen. Das war allerdings nur eine Zwischenstation: Seit sie als Kind einen Auftritt des Folkduos Lindsay und Jacqui Morgan gesehen hatte, wollte sie auch Musikerin werden. Die erste TV-Gage nutzte sie angeblich, um 1987 ihre erste Single „Fate Stay With Me“ aufzunehmen – eine klassischen 80er-Pop-Nummer, die nie offiziell released wurde, aber das Interesse der Branche weckte.

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„Hey, ich war 15. Mit 15 ist das kein consensual sex.“

Wenig später begannen die Geschehnisse, die Alanis Morissette nun in „Jagged“ thematisiert – ohne jedoch vorerst Namen zu nennen. Ihre Aussagen werfen wieder einmal ein schlechtes Bild auf eine Musikbranche, die immer schon von toxischen, übergriffigen Männern geprägt wurde. Morissette sagt, sie habe als 15-jährige mit mehrere älteren Männern Sex gehabt. Den würde sie heute „statutory rape“ nennen – ein juristischer Begriff, der im Deutschen „Unzucht mit Minderjährigen“ heißt. Sie sagt: „Ich brauchte viele Jahre in Therapie, um mir überhaupt eingestehen zu können, dass ich ein Opfer war. Ich habe mir immer eingeredet, ich hätte dem Sex zugestimmt. Und dann wurde mir klar: ‚Hey, ich war 15. Mit 15 ist das kein consensual sex.‘ Heute sage ich mir: ‚Klar, das waren alles Pädophile, das ist Unzucht mit Minderjährigen.“ Das Einwilligungsalter lag und liegt in Kanada bei 16.

Alanis Morissette sagt auch, dass sie mit Leuten aus der Branche damals darüber habe sprechen wollen. „Ich habe es einigen Leuten erzählt, stieß aber immer auf taube Ohren. Das waren meistens so Momente, wo sie dann ganz dringend woanders hin mussten und den Raum verlassen haben.“

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„Ich brauche jetzt ein wenig Hilfe, weil ich nie über dieses Thema spreche.“

Die heute 47jährige Sängerin sagt, dass aufdringliche bis übergriffige Anmachen älterer Männer damals Gang und Gäbe waren. Dafür benutzt sie eine spezielle Kameraperspektive als Metapher: den „Dutch Angle“ oder „Dutch Tilt“. Dabei liegt die Kamera schief, was meistens den Effekt hat, dass die Zuschauenden einem Moment der Desorientierung und Verstörung erleben. Alanis Morissette sagt, es habe bei fast allen Männern, mit denen sie damals zusammengearbeitet habe, „einen Punkt gegeben, bei dem die Kamera kippt und in den Dutch Angle geht“. Diese Momente haben dann „entweder jegliche Beziehung beendet“, oder sie seien, „dieses große Geheimnis geworden, das wir für immer bewahren sollten.“ Für den Film hat sie wohl beschlossen, das nicht mehr zu verschweigen. Vor dem Interviewpart sagt sie außerdem: „Ich brauche jetzt ein wenig Hilfe, weil ich nie über dieses Thema spreche.“

Wie die Washington Post außerdem berichtet, hat Alanis Morissette beschlossen, nicht bei der Premiere auf dem „Toronto International Film Festival“ am 14. September teilzunehmen. Einen Grund nannte sie nicht – aber man weiß ja leider, was Künstlerinnen entgegenschlägt, wenn sie den Mut haben, diese Erfahrungen mit der Öffentlichkeit zu teilen. Vollen Respekt und volle Solidarität, dass sie es trotzdem getan hat. Es wäre eine gute Motivation für Journalistinnen und Journalisten nun zu beginnen, jenes Umfeld zu durchleuchten, in dem sie sich damals in der Branche bewegt hat.

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