Wie #deutschrapmetoo die Rap-Szene und vor allem das Musikbusiness aufmischen sollte


Die öffentlich geäußerten, schwerwiegenden Vorwürfe sexueller Gewalt gegen einen der erfolgreichsten Rapper Deutschlands haben eine längst überfällige Diskussion im Deutschrap und in der Musikindustrie losgetreten, die viele etablierte Akteure in Zugzwang bringt. Ein Blick auf die Reaktionen, Statements, Beiträge – und auf die Konsequenzen, die man daraus ziehen sollte.

Wer sich dieser Tage in die Twitch-Streams, Insta-Lives oder Kommentarspalten der Rap-Tratsch-Webseiten traut, sieht und liest viele unschöne Dinge. Wer dieser Tage den Namen eines erfolgreichen Deutschrappers nennt, der öffentlich der sexuellen Gewalt und der Vergewaltigung bezichtigt wird (und dieses vehement bestreitet, es gilt zudem die Unschuldsvermutung), bekommt Post vom Anwalt. Wer im Zusammenhang mit einem konkreten Fall zu lautstark fordert, Opfern zuerst zu glauben, vermutlich auch. Wer Opfern außerdem glaubt, dass der Gang zur Polizei nach einem sexuellen Übergriff eben nicht so selbstverständlich ist, weil das Vertrauen in diese Institution fehlt und man einem Verhör-Prozess ausgesetzt ist, der nicht nur im traumatisierten Zustand kaum zu ertragen ist, wird von Typen belehrt und bepöbelt, die lautstark auf die natürlich geltende Unschuldsvermutung pochen. Und auf einmal sind sie dann große Fans der Staatsgewalt, die in vielen Songs ihrer Idole verachtet und verarscht wird. Die Rap-Journalistin Miriam Davoudvandi, eh eine der wichtigsten Stimmen des jungen Pop- und Rap-Journalismus, traf die Sache mit diesem Tweet recht gut:

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„Victim blaming, slut shaming, Opfer-Täter-Umkehr“

Derweil formieren sich die Fraktionen, die den Opfern glauben und die, die sich auf die Seite beschuldigter Künstler stellen. Die Unschuldsvermutung kommt dabei schon mal etwas unter die Räder, während die Gegenseite mit allen Mitteln versucht, das Opfer zur Täterin zu machen. Ebenso auffällig ist: Viele äußern sich gar nicht. Ob aus Loyalität, Angst vor juristischen Konsequenzen oder zu engen Business-Verstrickungen, ist dabei nicht immer zu erkennen. Die ehemalige Rap-Journalistin, Musikwissenschaflterin und Bildungs-Referentin Nava Zarabian hat in einem Interview mit Der Zeit gut zusammengefasst, mit was sich ein Opfer in so einem Fall konfrontiert sieht: „Victim blaming, slut shaming, Opfer-Täter-Umkehr. Schnell heißt es, sie würden nur was vom Fame abhaben wollen. Frauen werden zu ‚Nutten‘ degradiert. Sie sollen erst mal beweisen, dass der Täter das wirklich getan hat. Wenn die Fanbase des Rappers auf eine*n losgeht, wird man mit massiven Hass überzogen. Man muss damit rechnen, dass anwaltlich gegen eine*n vorgegangen wird. Das ist eine enorme psychische Belastung. Dabei beläuft sich der Anteil der Falschbeschuldigungen von Vergewaltigungen laut dem Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe auf nur drei Prozent. Ironischerweise sind es auch Rapper, deren Lifestyle sonst eher ACAB entspricht, die dann sagen, die betroffene Frau solle doch erst mal zur Polizei gehen und das Ganze solle vor Gericht geklärt werden.“ Deshalb an dieser Stelle noch einmal: Allen Respekt der Welt vor allen Opfern, die sich in die Öffentlichkeit trauen.

#metoo ist weiterhin überall

All das sind Prozesse, die man nicht nur aus der Rap-Welt kennt. Die #metoo-Fälle aus der Filmwelt (Harvey Weinstein, Kevin Spacey, Dieter Wedel u. a.) oder der Politik (Dominique Strauss-Kahn, Michael Fallon u. a.) weisen viele Parallelen auf. Und sie sind – ebenso wie Deutschrap – allesamt Spiegelbild einer noch immer zutiefst sexistischen Gesellschaft, in der zu oft Männerbilder zelebriert werden, die von kotzkonservativ bis schlichtweg toxisch reichen. Einer Gesellschaft, in der Gewalt gegen Frauen viel zu selten geahndet wird (wie man zum Beispiel in diesem Buch lernen kann). Einer Gesellschaft, in der gern marketingwirksam Feminismus und Empowerment gefordert werden, in der man dann aber meist doch in Entscheidungsrunden mit zu vielen Typen sitzt. Deshalb ist es natürlich heuchlerisch, wenn zum Beispiel rechtsgerichtete, konservative Parteien und Medien mit angestaubten Frauenbildern die aktuelle Diskussion für ihre rassistischen Weltbilder oder ihrem von Klassismus geprägten Blick auf die Gesellschaft instrumentalisieren.

Es ist eben nicht nur ein Image

Einiges ist bei #deutschrapmetoo aber noch stärker ausgeprägt als anderswo. Das Rap-Geschäft in Deutschland wird zu großen Teilen auf Business-Seite von Männer-Runden geführt. Und die Musik bedient oft ein hypermännliches, aggressives, misogynes Image, das vor allem ein sehr junges Publikum erreicht. Wer sich die härtesten Zeilen mal anschauen will, findet bei „Unhate Women“ immer noch ein „Worst of“ der letzten Jahre. Das sei natürlich alles künstlerische Freiheit und arg überzeichnet und natürlich nur ein fiktives Alter Ego der rappenden Personen, blablabla. Aber – und das machen die bekannten Fälle sowie die Geschichten und Vorfälle, die nun geteilt werden, deutlich – die Unterscheidung zwischen Image und realem Verhalten scheint bisweilen verloren zu gehen (falls sie denn jemals da war). Was in unserem heutigen gesellschaftlichen Klima eben nur funktioniert, wenn das Umfeld die Täter schützt oder wegschaut. Auch hier sei noch mal gesagt: Dieses Problem, dieses Machtgefälle, existiert auch in der übrigen Musik- und Unterhaltungsindustrie, im Profifußball, im Berufsleben, in vielen Familien.

#deutschrapmetoo hat aber in nur kurzer Zeit eine große Aufmerksamkeit und gesellschaftliche Wucht erreicht, die tatsächlich etwas verändern kann. Das ist wie so oft bei #metoo-Themen vor allem starken Frauen zu verdanken. So war Shirin David eine der ersten, die Rücken zeigte, einem Opfer eine Plattform gab und ihre Millionen Follower mit Fakten zu sexuellem Missbrauch versorgte, die Männer immer nicht hören wollen. Ihre Instagramstory wurde hier bei Twitter dokumentiert. Auch die Influencerin, Journalistin, Moderatorin und Vorkämpferin für Journalistinnen im Rap-Game Visa Vie äußerte sich in einem starken Statement bei Instagram – womit sie sich, nicht zum ersten Mal, mutig ins Feuer zahlreicher Hater stellt.

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Es folgten in den letzten Tagen Statements von Layla, badmómzjay, Katja Krasavice, die man hier bei den Kollegen von hiphop.de gesammelt nachlesen kann.

Die Initiative #deutschrapmetoo für Betroffene

Eine sehr konkrete Reaktion auf #deutschrapmetoo ist die gleichnamige Initiative auf Instagram. Sie lädt Betroffene ein, ihre Geschichten vertraulich zu teilen und setzt sich ein für die „Vernetzung von Betroffenen s*xualisierter Gewalt und/oder Machtmissbrauch innerhalb der Deutschrapszene“. Dahinter steckt das schon länger auf Twitter aktive „Rantallmoos“-Kollektiv, zu dem auch die Journalistin und Aktivistin Jane (@lowerclassjane) zählt, die man hier im Interview mit dem Deutschlandfunk hören kann. Jane hat die Szene schon lange kritisch im Blick und hofft, dass diesmal wirklich was passiert. Den Grund, warum das klappen könnte benennt sie im Deutschlandfunk so: „Ich glaube, das hat schon was mit der Reichweitenstärke einer Shirin David zu tun, die sich des Falles angenommen hat und kompromisslos dem Opfer erstmal geglaubt hat und auch eine Konsequenz gezogen hat. Das ist erstmalig in der Szene.“

„Das ist kein Einzelfall“

Inzwischen habe das Kollektiv unzählige Nachrichten bekommen, die zeigen: „Das ist kein Einzelfall.“ Interessant ist vor allem das professionelle, behutsame Vorgehen: Der Account betreibt eher Aufklärung, sammelt die Fälle, hat sich professionellen juristischen Beistand geholt, in dem Wissen, dass man gegen Menschen mit viel Geld und aktiven Anwälten antreten wird. Am Dienstag verkündete der Account dann: „Nach ersten Absprachen mit unseren Anwält*innen haben wir nun die Möglichkeit, in den nächsten Tagen die ersten anonymisierten Geschichten von Betroffenen zu veröffentlichen.“ Im Deutschlandfunk-Interview sagt Jane: „Es ist gut, dass die Leute wissen, dass es das gibt und wir wissen auch, dass es einige Menschen gibt, die befürchten, dass etwas über sie herauskommt. Vielleicht ist das auch ganz gut, wenn man das noch ein wenig aussitzt, diese Befürchtung der anderen.“ Wer die Initiative unterstützen will, kann hier per Paypal spenden – eine offizielle Crowdfunding-Kampagne wird gerade aufgestellt.

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Die Rolle der Rap-Medien

Schon Shirin David bemerkte, dass am Tag nach Veröffentlichung der aktuellen Anschuldigungen bis zum Nachmittag nur die „Juice“ darüber berichtet hatte. Die Zurückhaltung resultierte sicher auch aus dem Wissen um juristische Tretminen, spielte aber dem Vorwurf in die Karten, dass viele Rap-Medien zu nah an der Szene sind und eher Hofberichterstatter als kritische Journalisten sind. Das hat sich mittlerweile bei einigen Medien ein wenig geändert – und #deutschrapmetoo erhöht den Druck, die eigene Rolle zu hinterfragen. Für die großen Rap-Medien war die Nähe zur Szene immer schon Fluch und Segen zugleich. Die erfolgreichen Rapper haben ihre eigenen Reichweiten und Plattformen und ihre treuen Fan-Communitys, die sich auch schon mal zu einem Shitstorm zusammenrotten. Die großen Rapper haben diese Medien also im Grunde nicht wirklich nötig. Im Gegenzug kämpfen die Rap-Medien um Reichweite, die man am besten mit den großen Namen bekommt. Die erfolgreichen Acts verteilen die wenigen Audienzen dann natürlich zuerst an jene Medien oder Journalisten, mit denen man über lange Jahre verkumpelt ist, was die Gespräche selten kritisch werden lässt. Ein Problem, das sicher nicht nur im Rap aktuell ist.

(Selbst-) Kritische Stimmen aus den Rap-Medien

Mit diesem Wissen ist es besonders interessant, wie die führenden Medien, Rap-Journalisten und Podcasts reagieren. Das Thema ist ja nicht neu, zuletzt diskutierte man 2020 über den Sexismus und die Misogynie in vielen Songtexten, angestoßen von der bereits oben erwähnten Kampagne #unhatewomen. Viel geändert hat sich da anscheinend nicht, wenn das Label Universal noch am Freitag nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen einen ihrer Künstler die Nimo-Single „Komm mit“ released hat, in der Nimo rappt: „Ich fick‘ sie fast tot, sie liegt im Wachkoma / La, la, la vida loca / Gebe einen Fick auf deinen Boyfriend, du willst guten Sex / Also komm heute Nacht mit (komm mit).“ Der Release wurde unter anderem von Balbina und dem korrekten Rapper Mauli bei Instagram verbreitet – mit der dezenten Frage: „Geht‘s noch, Universal?“ Was das Label immerhin mit einer Entschuldigung beantwortet hat. Mauli hostet mit dem Rap-Urgestein Staiger auch den Podcast „Die wundersame Rapwoche“. Darin sagt Mauli in der aktuellen Folge zu dem Nimo-Song: „Egal zu welchem Zeitpunkt, bei so einer Nummer muss man doch denken: ‚Ey, vielleicht bringen wir den doch nicht als Single raus. Vielleicht machen wir da kein Video zu.‘ Irgendwas daran muss einen doch irgendwie abstoßen.“ Bei der Aufzeichnung ihrer aktuellen Folge mit Tarek von K.I.Z drückten sie sich also in den ersten zwanzig Minuten nicht um das auf der Hand liegende Thema herum. Das leider zu kurze Gespräch dazu dreht sich um den Zustand der Rap-Szene und vor allem um problematische Männerbilder und die Darstellung von Sex und Gewalt in vielen Songs. Staiger erinnert sich an ein Panel zu dem Thema und sagt: „Es muss auch ein gewisses Umfeld geben, das solchen Missbrauch begünstigt. Und das ist eigentlich das Spannende: Warum gibt es immer noch Strukturen, die darauf so wenig Wert legen?“

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Hier setzt auch der Aria Nejati an, der auf Apple Music „Hyped Radio“ moderiert, bei Apple „Head of Hip Hop“ für die deutschsprachigen Länder ist und lange bei hiphop.de arbeitete. Er twitterte recht früh in der Diskussion:

 

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Auch in der aktuellen Folge „Hyped Radio“ nutzt er seine Begrüßung für dieses Statement: „In der letzten Woche wurden schwerwiegende Vorwürfe sexueller Gewalt, Missbrauch und Vergewaltigung gegen einen der aktuell erfolgreichsten deutschen Rap-Künstler erhoben. Diese Situation ist keine neue. Künstler aus dem Deutschrap-Segment wurden in der Vergangenheit nicht selten mit diesen Vorwürfen konfrontiert, teilweise sogar verklagt. So häufig flüchten sich HipHop-Akteure bei Kritik gegen das Genre mit übereifrigen Verteidigungsreflex in das Argument ‚Ja aber HipHop ist doch nur ein Spiegel der Gesellschaft.‘ Das ist ganz richtig und sexuelle Gewalt ist genauso Teil der strukturellen Machtpyramide im HipHop und in der Musik- und Unterhaltungs-Industrie wie im Rest der Gesellschaft. Es kann nicht sein, dass so gut wie jede Frau mindestens ein Opfer sexueller Gewalt kennt, doch kaum ein Mann kennt ein Täter.“ Für die Rap-Szene heißt das: „Gerade wir Männer müssen genauer hinschauen. Im Backstage, in Studios, bei Konzerten, hinter den Kulissen. Wir müssen genauer hinhören in Songs, in Interviews und im Small Talk. Ich nehme mich selbst dort keinesfalls raus. Für sexuelle Gewalt muss absolut null Toleranz herrschen.“ Starke Worte, an denen er sich wird messen lassen müssen.

Spannend anzuhören ist auch der „Backspin Stammtisch“, bei dem Niko und Kuba vom Backspin-Team Musikpromoterin, Bloggerin, Autorin, DJ und Labelchefin Lina Burghausen und Nora Seidel, die aktuell an einer Master-Arbeit über Sexismus im Deutschrap arbeitet, als Gäste haben. Burghausen und Seidel machen schon in den ersten Sekunden klar, dass auch die Backspin-Redaktion, die oft sehr freundschaftlich mit den Acts verbändelt ist, diese Nähe kritisch hinterfragen muss.

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Die Scheinheiligkeit der Musik- und Werbe-Industrie 

Entscheidend für die Auswirkungen von #deutschrapmetoo werden aber in naher Zukunft vor allem die Reaktionen der Label-, Booking-, Streaming- und Werbepartner sein. Sie sind diejenigen, die mit ihrem Geld und ihren Strukturen die Reichweite schwieriger Künstler verstärken und stützen. Nach einem Statement vom Label des konkret diskutierten Rappers hieß es, man wolle aufgrund der Schwere der Vorwürfe „die Zusammenarbeit mit dem betreffenden Künstler bis zur Klärung der Vorwürfe ruhen zu lassen.“ Vielleicht setzt sich ja generell mehr in Bewegung. Zensur bringt einen natürlich auch nicht weiter, und Rap war schon immer in Grauzonen zuhause und spielte mit der Überhöhung von Gewalt und Kriminalität – dennoch ist man dann schnell wieder bei Mauli und der Frage, ob man nicht einfach einige Sachen abstoßend finden sollte. Oder dumm. Oder auf eine Weise männlich, die wenig erstrebenswert ist.

Es wäre wünschenswert, dass sämtliche Plattenfirmen sich nicht einfach nur aus Zeitgeist-Gründen mit wehenden Regenbogenfahnen und Empowerment-Botschaften positionieren, um dann gleichzeitig bei problematischen Künstlern alle Augen zuzudrücken, solange die Kasse klingelt. In der irrigen Annahme das harter Rap sexistisch sein muss. Gleiches gilt für die heute immens wichtigeren Playlisten. Staiger sagte in der oben verlinkten Podcast-Folge, er sei entsetzt gewesen, wieviel Kälte in der „Modus Mio“-Playlist steckt – immerhin die erfolgreichste Rap-Playlist Deutschlands. Hier gibt es Möglichkeiten anzusetzen und besonders verachtungswürdige Rap-Tracks vielleicht gar nicht erst zu platzieren. Eine Erkenntnis, die dort noch nicht angekommen ist, wie man spätestens beim zweitplatzierten Song („Shawty“ von PA Sports feat. Kianush und Jamule) der aktuellen Liste merkt. Gleiches gilt für die großen Marken, die dieser Tage ebenfalls sehr auf Offenheit und Feminismus setzen. Jede etablierte Marke, die sich einerseits im Pride-Week-Regenbogen sonnt und dabei große Festivals sponsort, auf denen offen misogyne oder konkret beschuldigte Künstler auftreten, sorgt dafür, diese Künstler wieder zu legitimieren. Und sie bezahlt ihre teilweise beachtlichen Gagen zu großen Teilen mit. Hier kann eine Marke ihre Wirtschaftsmacht nutzen – wenn sie es denn wirklich will.

Hoffen wir, dass diese Dynamik diesmal tatsächlich etwas verändert – und zwar, um das noch einmal zu betonen, nicht nur im HipHop. Das Problem ist allgegenwärtig in unserer Gesellschaft und auch die Indie- und Rockszene hätte mit Sicherheit genug tragische Geschichten und Vorfälle parat für eine eigene MeToo-Bewegung. Und wir sollten vor allem dort ansetzen, wo das Übel seinen Anfang nimmt: In toxischen, männerdominierten Strukturen, bei diesen vermeintlich harten, coolen Männerbildern, bei diesen kalten, eher trostlosen Vorstellungen von Sex und natürlich als Mann beim eigenen Verhalten.