Alice Cooper im berüchtigten mexikanischen Club ‚Cabo Wabo‘, das ist wie Campino in Ibiza. Nur besser, weil heißer. Viel heißer.


Du mußt unbedingt noch so ein T-Shirt mit der Aufschrift ‚You’ve Been A Naughty Girl – Go To My Room‘ besorgen!“, fleht mich Alice Coopers Tourmanager Toby Mamis an. Der Anruf kommt ein paar Stunden vor meiner Abreise nach Cabo San Lucas, einer Touristenfalle etwa zwei Flugstunden südlich von Los Angeles im Baja-Gotf von Mexiko. Alice Cooper plant, dort im Cabo Wabo-Club (Eigentümer: gerade-wieder-ex-Van Halen-Shouter Sammy Hagar) eine Club-Show auf Platte und Video zu bannen. Dem Anruf haftet eine gewisse Dringlichkeit an und – so schwant mir – ein Vorgeschmack auf den Wahnsinn, der meiner dort harrt. Guns N‘ Roses-Fiedler Slash, anläßlich des Ereignisses als Special Guest geladen, hat das Shirt an Mamis bewundert und muß jetzt ganz dringend selbst eins besitzen. Ich kann das begehrte Hemd nicht beschaffen, aber wie sich zeigt, interessiert das ohnehin niemanden: Die Stimmung im ‚Cabo Wabo‘ ist derart am Überkochen, daß es wohl keinem auffallen würde, wenn die Band in Müllbeuteln auftreten würde. Als Alice Cooper mit seiner Familie in einem bescheidenen Ford Escort anrollt, droht der Club bereits vor über 300 Urlaubern und Einheimischen, die sich Cervezas und Margueritas hinter die Binde kippen, aus den Nähten zu platzen. „Die heutige Show wird für TV, Video und andere Medien aufgezeichnet“ verkündet ein Schild am Eingang. Drinnen drängeln sich verschwitzte, braungebrannte Körper, es wird aufgeregt durcheinandergeplappert, aus der PA stampfrocken Songs von Van Haien und Aerosmith. Zahlreiche Gäste tragen hoffnungsfroh T-Shirts mit dem Aufdruck „Alice Cooper Trashes Cabo Wabo: June 1996“.

Gegen halb zehn kommt Mr. Cooper endlich auf die Bühne, und angefangen bei den ersten Klängen von ‚Under My Wheels‘ zeigt der 48jährige Detroiter dem Auditorium, was eine Harke ist. Das wissen die meisten der Anwesenden zwar schon, urteilt man nach dem mittlerweile allgemein erreichten Alkoholspiegel – gleichwie: Was Cooper und seine Band da an Klassikern auftischen, kann sich hören lassen. Zu seiner Unterstützung hat Alice ein paar alte Kumpels eingeladen, die ihm bei ausgesuchten Songs unter die Arme greifen: Mit ‚Feed My Frankenstein‘ beweist der manisch wirkende Rob Zombie seine Qualitäten als rechte Hand des Teufels, bei ‚Lost In America‘ und ‚Only Women Bleed‘ greift Slash (der mit Cooper bereits 1991 zusammenarbeitete) in die Saiten, und zu ‚School’s Out‘ gibt Kneipenwirt Sammy Hagar ein paar Gitarrenriffs zum Besten. Trotz illustrer Gästeschar liegt der Schwerpunkt des Abends aber eindeutig auf der Musik – keine Kostüme, keine Reptilien, keine Cooper-typischen Horrorszenarien. „Hallo, ich bin Donny Osmond“, beliebt ein ungewöhnlich redseliger Alice statt dessen zu scherzen. Zu ‚Elected‘ läßt er eine für seine Verhältnisse geradezu brisant-politische Ansage vom Stapel: „Wir halten angesichts der anstehenden Wahlen diesen Song für angebracht!“ Auf dieses Stichwort gibt’s dann doch noch etwas Brimborium: Mitglieder der Crew springen in Reagan-, Nixon-, Clinton- und Bob Dole-Masken auf die Bühne und beginnen sich zu prügeln, dazu schwenkt Cooper, der unterdessen in ein rot-weißblaues Uncle-Sam-Kostüm geschlüpft ist, eine riesige US-Flagge, Ladungen von Konfetti und Ballons ergießen sich ins Publikum.

„Das war für uns ein ganz neues Spiel – und gleichzeitig ein altes“, erklärt ein entspannter Alice Tags drauf. „Es war seit Jahren unser erster Club-Gig. Bei Alice Cooper denkt man ja sofort an Stadien mit Riesenshow und Megaproduktion. Dieser Gig bot uns die Möglichkeit, als reine Rock’n’Roll-Band auzuftreten. ‚Alice jammt mit niemandem, Alice spricht nie mit dem Publikum, es geht gegen seine Ideologie, mit dem Publikum zu kommunizieren‘ – Gestern habe ich den ganzen Abend lang mit den Leuten geredet! Und weißt du, welchen Satz ich am alleröftesten gehört habe? ‚Hey Alice, ich hatte ja ganz vergessen, daß all diese Songs von dir sind!‘.“