Allzeit breit


Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um“, spricht dräuend der Volksmund. Und da auch in diesem Jahr Hunderttausende alle Warnungen in den Wind schlagen werden, um sich auf dem Reichsparteitagsgelände zu Trockenobst dörren zu lassen – oder aber sich in einer vollgeregneten Kiesgrube in schlammverkrustete Neanderthaler zu verwandeln, möchte ich als Kenner der Materie all diesen Unverbesserlichen ein paar Ratschläge auf den dornigen Festival-Weg geben.

Fangen wir mit dem Outfit an. Da ist ja von den Shorts bis zur Thermohose, vom blanken Oberkörper bis zum Wintermantel so ziemlich alles in Erwägung zu ziehen, denn bei der hohen Fehlerquote unserer Meteorologen entpuppt sich oft ein versprochenes Hoch mit Temperaturen um die 30 Grad als arktisches Tief mit Hagelschlag und Dauerregen.

So gesehen ist also nur der Mensch mit dem Überseekoffer gegen alle Eventualitäten des deutschen Wetters gewappnet. Handelt es sich jetzt bei der zu besuchenden Festivität auch noch um ein Drei-Tage-Ereignis, so stellt sich natürlich auch noch die Frage der Unterkunft. Diejenigen, die sich nicht heimlich nachts in ein nahegelegenes Hotel verpissen und anderntags den Spott der Kumpane einhandeln wollen, nächtigen also standesgemäß im Zelt, sind daher aber schon fast gezwungen – man denke an den Überseekoffer – mit einem Kleinlaster anzureisen.

Diese glücklichen Menschen haben dafür aber dann auch noch jede Menge Platz; z. B. für das Transparent „Schabbach grüßt Saga“ oder „Foreigner-Fan-Club Niederzwieselbach“. Und selbstverständlich haben diese Zeitgenossen auch die Chance, in puncto Hygiene eigene Wege zu gehen, denn aus drei mitgebrachten Rundhölzern läßt sich leicht ein formidabler Donnerbalken zimmern.

Welch Genuß, mit heruntergelassener Hose Opus‘ „Live is Life“ lauschen zu können, während andere sich in entfernte Büsche schlagen müssen – oder stundenlang darauf warten dürfen, in einer vollgekackten Holzkiste ihr Ei zu legen.

Tja, und das Waschen, das vergißt man als Festival-Profi von vornherein. Wenn’s regnet, hat man von dem feuchten Naß ja ohnehin genug; und wenn die Sonne knallt, dann ergibt so ein leicht lehmiger Überzug, zusammen mit der Bräune, erst den richtigen Festival-Teint. Dem pelzigen Zahnbelag hingegen wird man schnell mit beherzten Zügen aus der Bier-Buddel Herr.

A propos geistige Getränke. Die gehören ja nun zu so einem Ereignis wie die Hochtöner zur P.A. Doch was tun, wenn einen die bösen Ordner nicht mit dem Karton „Kröwer Nacktarsch“ oder den drei Flaschen „Fürst Bismarck-Korn“ aufs Gelände lassen?

Dumme Menschen übergeben ihre Goodies anstandslos den Zerberussen an der Pforte; noch dümmere Menschen saufen sie aus Protest dortselbst aus und erwachen erst bei den Aufräumungsarbeiten am Tage danach aus ihrem Koma. Die Schlauberger aber nähen sich strategisch gut verteilte Plastik-Container in die Klamotten. Die lassen sich nicht nur mittels Gummischlauch (so wie die Radrennfahrer) gut leeren, man vermeidet auch den peinlichen Anblick, den z.B. „unsere amerikanischen Freunde“ bieten, wenn sie, die Gallon-Flasche „Kentucky Straight Bourbon“ schwenkend, übers Gelände torkeln.

Andere Menschen bevorzugen andere Genüsse, und so gehören natürlich das Pfeifchen, der Beutel mit herbs und die skins zur Grundausstattung.

Bekanntlich geht ja die Liebe verschlungene Pfade, und so fand sich so mancher Flensburger mit einer propperen Passauerin in seinem/ihrem Zelt wieder. Da wir auch diesbezüglich in einer Welt voller Gefahren, sprich Strepto- und Gonokokken und Aids-Bakterien, leben, gehören selbstredend auch die Piedeltüten oder Verhüteriis ins Marschgepäck.

Sehr empfehlenswert ist auch ein vorheriges mehrwöchiges Training von Daumen, Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand (für Linkshänder natürlich entsprechend), denn der straff eregierte Daumen eines Trampers macht bei einem mobilisierten Mitnehmer mächtig was her, und die Peace-Zeichen nach einem 17minütigen Doppel-Gitarren-Solo werden noch in den nächsten hundert Jahren nicht aus der Mode gekommen sein. ‚ Was aber, so frage ich Euch, tut man nur gegen die Musik, zumal – wie schon des öfteren vorgekommen – wenn sie schlecht ist? Profis vergangener Festival-Zeiten retteten sich vor musikalischen Überrumpelungen noch mit Ohrenschützern und Wattepfropfen, doch da die Technologie auch auf diesem Gebiet mächtig aufgeholt hat, sollte man den Walkman mit den Lieblings-Cassetten unter keinen Umständen zu Hause lassen. Und schließlich hat so ein zwanzigtausendköpfiges Publikum, komplett mit Kopfhörern auf den Ohren, noch auf jede Sülz-Kapelle bleibenden Eindruck hinterlassen.

Da fällt mir übrigens noch ein Anekdötchen in Sachen „idealer Festival-Besucher“ ein. Es war vor Jahren bei einem großen skandinavischen Drei-Tage-Ereignis, als dieser Mensch auftauchte, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, mindestens all das zu kriegen, wofür er sein hart erarbeitetes Geld bezahlt hatte. Also kaufte sich der gute Mann jeweils am frühen Nachmittag einen Kasten „Tuborg Luxus 01“, setzte sich damit mitten vor die große Bühne und begann zu genießen. Er lauschte wirklich jeder Band und jedem Solisten und trank dabei Zug um Zug seinen Kasten Bier leer. Und so wahr ich Dr. Gonzo heiße, tat er nach dem Auftritt der letzten Band einen letzten Zug aus der letzten Pulle, ließ einen letzten Rülpser vom Stapel und sank selig von seiner Bierkiste hinunter in den Matsch.

Das ist genau der Besucher, den der Veranstalter erwartet. Er ist absolut ideal! Er zahlt an der Kasse und klettert nicht über den Zaun. Er hört sich wirklich alles mit Inbrunst an – und konsumiert eifrig (z.B. Bier), was den Veranstalter freut, ist er doch am Umsatz beteiligt.

So, nun gehet hin und füllet die Arenen und Kiesgruben, laßt Euch die Sonne auf den Kecks knallen und den Regen in den Hemdkragen rieseln, kippt Euch das Bier kistenweise in den Kopp, lauscht ergriffen all den musikalischen Nieten, die Euch mit „Hello Nürnberg, it’s nice to be back again“ tierisch eins vorlügen und kriecht anschließend mit breiter Birne in Euren klammen Schlafsack, um nach einer Nacht voller Mücken und Besoffenen die gleiche Prozedur noch einmal über Euch ergehen zu lassen. Aber behauptet nicht, wenn Ihr viele, viele Deutschmarks ärmer wieder nach Hause zurückkehrt, ich, Euer alter Gonzo, hätte Euch nicht gewarnt…