ANACHRO-NISTISCHE ECHAUFFAGE


Es kann ja passieren, dass einem die innere Uhr flöten geht, wenn eine komplette Jahreszeit einfach ausgeknipst wird. Wohl weil mein Hirn sich noch im Spätherbst wähnte, war das Heraufziehen der Festivalsaison an mir vorbeigezogen. Und so war ich irritiert, als ich letztens im Spätprogramm herumzappte (ich weiß: das sollte man eh nicht tun, sondern vielmehr um die Häuser ziehen! Aber mein Thermohose war grad in der Wäsche …) und eines ziellos auf einer riesigen Rockbühne herumlatschenden Hoeneßes gewahr wurde, den ich anhand seines Käppis sowie seines hoeneßmäßig verkleideten Gitarristen flugs als Fred Durst von der Hoeneßband Limp Bizkit identifi zierte. Ja, muss das denn sein, dass der WDR einem im Jahr 2013 noch mit alten Konzertkonserven von Limp Bizkit auf den Sack geht?, dachte ich mit Ingrimm, als mir die Schrift am Bildrand auffiel: „Rock am Ring 2013 – live“. Wie, Rock am Ring, mitten im Winter? Da fiel mir alles wieder ein: Es ist ja Frühsommer, es ist RaR-Wochenende, das Aufspielen von Limp Bizkit auf einer riesigen hiesigen Festivalbühne ist sozusagen im Hier und Heute verankert!

Das wiederum stimmte mich nun doch etwas traurig. Dass einer Band, die selbst in ihrer „relevantesten“ Phase als Verirrung einer Übergangszeit gelten durfte, knapp 200 Jahre später immer noch die dicke Hose aufgeblasen wird, auf dass sie Würdigeren die verknappten Ressourcen wegschleckt – nun denn. Jede Ära hat ihre Drecksbands, die dann in alle Ewigkeit weiterwirtschaften dürfen, weil’s der Kunde halt so will und es im Zweifelsfall den einen alten Hit gibt, an dem sich die „Karriere“ langziehen lässt. Aber: Limp Bizkit? Die seelenloseste Band aller Zeiten? Für die der Begriff „Hoeneßband“ erst geprägt wurde? Auf welches Lied wartet man bei Limp Bizkit? Auf diese phatte erste Single von HOTDOG AND THE BLOWFISH COLOURED WATER oder wie der Käse damals hieß? Der Stärken ihres eigenen Kataloges scheint sich auch die Band voll bewusst, die jetzt anhob zu – kein Witz! – einer Art Medley aus Hits der Alternative-Rock-Ära. Wie eine Depristimmungskapelle des Grunge fledderten sie sich durch die Riffs anderer Leute, von Pearl Jam über Radiohead bis, natürlich, Rage Against The Machine, um sich dann an Nirvana festzubeißen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich je etwas Armseligeres und Anmaßenderes auf einer Rockbühne gesehen habe und/oder ob ich vielleicht etwas überspannt reagierte. Aber ich sah mich schon bestätigt, als Tage später mein Blick über eine „SZ“-Überschrift wischte: „Schlagzeug fliegt 1 541 Kilometer weit.“ Da haben wir’s, das ist die Agenturmeldung von dem Wutanfall, den Dave Grohl erlitt, als er hörte, dass Limp Bizkit live „Smells Like Teen Spirit“ covern! Aber da stand leider nur: „Solarflugzeug fliegt 1 541 Kilometer weit.“ Langweiliger, aber wohl besser so. Nur nicht so aufregen.