Andy Fraser – Paul Kossoff


Als sich Free im April '68 auf die Socken machten, die Welt von sich zu überzeugen, waren sie noch alle optimistisch. Und es sollte auch ganz gut laufen. Wenigstens bis sich die Vier, angefangen bei Paul Rodgers über Simon Kirke und Paul Kossoff bis zu Andy Fräser, knapp drei Jahre später doch recht leergespielt und festgefahren vorkamen. Auflösung-Peng-Frustration-Pengerfolglose Soloaktivitäten! Kurz und gut: trostlose Zustände herrschten.

Ein Jahr darauf konnte man jedoch von einem Free-Comeback lesen. Haben sie’s also wieder gemeinsam angepackt. Aber während einer US-Tour im Vorprogramm der Faces erscheint plötzlich jedem die Sache aussichtsloser als je zuvor. Erneute Auflösung! Diesmal endgültig. Kossoff ist derart fertig, daß er aus lauter Hilflosigkeit und Leerlauf auf harte und härteste Drogen und langsam in den „Keller“ umsteigt. Währenddessen kann sich Andy Fräser einfach nicht damit abfinden, daß es künftig nicht mehr so leicht für ihn sein wird, Musik zu machen. Aus diesen traurigen Zuständen heraus versuchen die beiden, sich neue Karrieren aufzubauen.

Ein schlechter Anfang

Fraser’s kurzzeitiges Abenteuer mit der Dreierformation Toby (vor dem Free-Comeback ’72) schlägt sich nicht einmal auf einer Platte nieder. Nach ein paar wenigen Free-Gigs -Andy war anfangs nur kurz in der Comeback-Besetzung dabei – hatte schnell die Nase voll und zog sich nach Afrika zurück. Um zu sich selbst zu finden und um in Ruhe nachdenken zu können, wie er sagt. Kossoff hing derweil daheim herum, verpraßte jeden Tag bis zu tausend Mark für Koks und hütete sich, seine Gitarre mal anzufassen. Das sollte man nicht mehr „Ausruhen auf den Lorbeeren“ nennen, das grenzte bereits an Apathie. Sein Vater verkaufte elf von Pauls Gitarren, damit der arme Sohn auch ja genug Kohle hat, um seinen Neigungen nachzugehen und so weiter… Ein niederschmetterndes Bild!

Kossoffs Beinbruch

Mit ein paar alten Freunden, der späteren Free-Neuauflage, bastelte er, nachdem er sich kurzweilig offenbar zusammengerissen hatte, das Album „Kossoff, Kirke, Tetsu and Rabbit“. Ein im Vergleich zu Free differenziertes und abwechslungsreiches Unternehmen, was vermutlich nicht zuletzt zur Wiedervereinigung beitrug. Als das Comeback bereits auf vollen Touren lief, fiel Koss von der Bühne und brach sich das Bein. (Oh Schreck!) Es war ein komplizierter Bruch, der ihm noch heute schwer zu schaffen macht. So verbrachte er denn die Free-Japan-Tour im heimatlichen Krankenhaus. Für Koss gehört Free endgültig der Vergangenheit an.

Backstreet Crawler

Als Paul endlich entlassen wurde, begann die Zeit, in der er alle paar Monate mit der Neuigkeit aufwartete, eine eigene Truppe ins Leben zu rufen. Das ging so lange, bis ihm das kein Mensch mehr abnahm. Versprechungen über Versprechungen, nach deren Ausspruch nie etwas passierte. Selbst als er 1973 nach langer Vorarbeit ein halbherziges Soloalbum herausbrachte, nahm ihn kaum einer ernst. Er nannte es wie die spätere Gruppe: „Backstreet Crawler“ und unter anderem wirkte dabei Jess Roden mit. Vorerst blieb es jedoch ein Traum, mit einer acht Mann-starken Gruppe auf Tour zu gehen. Zweifel, die sei, wie er meint, eher durchschnittliches Gitarrenspiel betreffen, die Drugs und die Troubles mit seiner Plattenfirma machen ihn zu keinem besonders kommunikativen Menschen. Man hat so seine Last mit ihm, und es gibt nur sehr wenige, die noch mit ihm klarkommen.

Andy und die Sharks

Inzwischen war Andy Fräser aus dem „Busch“ zurückgekehrt. Daheim angekommen, packte er seinen alten, abgewetzten Kompositions-Koffer aus und war ganz scharf auf eine eigene Band. Angebote von den Faces und der gerade gegründeten Bad Company schlug er aus. Man kann sagen, er war kuriert und wußte, was er will. Er kannte seinen Wert und sein größter Wunsch war es, sich zu profilieren. Demzufolge rief er mit dem Session-Gitarristen Chris Spedding die Sharks ins Lebea Die beiden ersten Platten der Band („First Water“ und „Job It In Yore Eye“), auf denen er mitwirkte, lassen allerdings zu wünschen übrig und fanden nicht die erhoffte Resonanz beim breiten Publikum. Andy stieg entmutigt wieder aus! Nochmals mußten beide Free-Ableger unter ungünstigsten Voraussetzungen von vorne anfangen.

Erneutes Aufrappeln

Beide besitzen aber den Willen und die Kraft sowie den Idealismus, es nochmal zu versuchen. Anfang letzten Jahres haben sowohl Andy wie auch Kossoff wieder ein heißes Eisen im Feuer. Auf der einen Seite die Fünfer-Formation von Koss, auf der anderen das lebendige Trio von Fräser. Beide Bands huldigen, wie zu erwarten war, dem Blues-Rock und dem R & B, wo man auch unschwer ihre Wurzeln finden kann. Andy spielte bereits mit 15 bei John Mayalls Bluesbreakern, und Paul war bekannt in Londoner Blueszirkeln, nicht zuletzt auch bei Alexis Korner, der den Free immer und immer wieder half und ihnen auch ihren Namen gab.

Neue Verträge

Freilich war für die Gründung der beiden Newcomer in erster Linie der immense Erfolg der Bad Company entscheidend. Sicher lag er dem Glauben an eine rosige Zukunft zugrunde, der sich anfangs breitmachte. Und was wäre das für ein Management, das sich nicht sofort um die Restbestände von Free gekümmert hätte. Da Rodgers und Kirke in den Staaten dick absahnten, lagen in England die Verträge für Andy und Paul nicht in weiter Ferne – genausowenig die Hoffnung auf einen ähnlichen Erfolg. Aber man wird abwarten müssen, wie sich die Neulinge entwickeln…

Die Andy Fraser Band

Auf Andys erstem Album, was im März 75 erschien, wird einem schnell klar, wer zur Hauptsache an dem überaus erfolgreichen Free-Stil beteiligt war. Andy schrieb nicht umsonst 90 % des Materials mit Paul Rodgers zusammen. Hier wird nun der „Heavy Blues“ fortgesetzt und durch weitere Dimensionen erweitert. Keine Note zuviel, kaum Playbacks, ein gerader Rhythmus, so daß jedem echten Rockfan das Herz im Leibe lacht. Komischerweise nahm die englische Presse kaum Notiz von dieser Platte und behandelte sie eher zurückhaltend. Im krassen Gegensatz zu Kossoffs Gruppenerstling, auf den sie sich wie die Geier stürzten.

Es läuft nicht…

Neben Fräser waren da der junge, unverbrauchte Drummer Kim Turner, ein Bruder des Wishbone Ash-Turner und der hervorragende Tastenmann Nick Judd, der schon bei Audience haufenweise offene Münder zurückgelassen hatte. Er war auch während des Shark-Kapitels an Andys Seite gewesen. Ansonsten war natürlich alles auf Fräser zugeschneidert. Er war es, von dem man sich Popularität und Piepen versprach. Free war nach wie vor in aller Munde, und es mußte schon mit dem Teufel zugehen, wenn da nichts rauszuholen war. Aber wie es der Zufall will, es lief halt nicht so recht Das Album begeisterte nicht sonderlich und die darauffolgende Tour ebensowenig.

Koss ist am Drücker

Jetzt sollte also Kossoff die Lorbeeren einsammeln! Irgendwo mußte ja das in sie gesetzte Vertrauen der Businesstypen Früchte tragen. Aber Koss war dafür nicht der Richtige! Der Erfolgszwang führte nur dazu, daß er bald zusammenklappte. Aber davon später.

Seine erste Gruppen-LP erschien einen Monat nach der von Andy und hieß „The Band Plays On“. Die da „weiterspielten“, waren zumeist Amerikaner. Durch die Vermittlung von Rabbit traf Paul auf Mike Montgomery, der für die meisten Songs verantwortlich zeichnet, und die Gruppe mit seinen Tasten zusammenhält. Er brachte den Drummer Tony Braunagel und Terry Wilson, den Bassisten, mit. Als Sänger engagierten sie den Ex-Beckett-Mann Terry Wilson-Slesser und eigentlich konnte es jetzt losgehen.

Knapp dem Tode entronnen

Für Mitte Juni war die erste Tournee der Crawlers angesagt. Sie mußte aber kurzfristig auf Oktober verlegt werden, da Koss unter einer „allgemeinen Nervosität“ litt. Ende August war’s dann soweit: Paul kam mit einem schweren Magengeschwür erneut ins Krankenhaus, was sich später als Auswirkung einer Überdosis Heroin herausstellen sollte. Diese Geschichte können die Ärzte noch meistern, die folgende nicht mehr! Kurz vor Tourneebeginn erlitt Koss einen Schlaganfall, der ihn fast umbrachte (diesmal allerdings ohne Drogenhintergrund). Er fiel in ein Koma, und sein Herz sowie die Lunge setzten eine halbe Stunde aus. In dieser Zeitspanne galt er als klinisch tot. Nur ein Wunder könnte ihn jetzt noch retten, meinten die Ärzte. Die Bandaktivitäten waren damit auf Eis gelegt, wenigstens für eine gewisse Zeit.

The Band Plays On

Aber das vermeintliche Wunder geschah: Koss kam wieder auf die Beine! Zwar lag er noch wochenlang im Krankenhaus und besetzte weitere vier Wochen einen Rollstuhl – aber er lebt! Die Tour war inzwischen von, so kann man in diesem Fall wohl sagen, skrupellosen Geschäftemachern auf Dezember verlegt worden. Jemanden, der. gerade einen Schlaganfall hinter sich hat, wieder „On The Road“ zu schicken, bedarf schon einer gehörigen Portion Gefühl- und Verantwortungslosigkeit. Selbst wenn Paul auf die Konzerte gedrängt hätte. Sogar Amerika, mit den härtesten Show-Bedingungen überhaupt, sollte auf dem Programm stehen. Die zum Teil bereits fertiggestellte zweite LP war für Weihnachten geplant.

Andy in den Staaten

Indessen hatte sich Andy damit abgefunden, daß er wieder mal eine Veränderung nötig hatte. Das Trio wäre ohnehin nur für eine kurze Zeitspanne geplant gewesen, hieß es jetzt. Kurzentschlossen verließ er England und reiste in die Staaten. Mit einem neuen Produzenten begab er sich schnurstracks in die legendären Muscle Shoals-Studios und nahm dort eine neue Platte auf.

Erst kürzlich erschien das Ergebnis unter dem Titel „In Your Eyes“ und beweist, daß er mit seiner Vermutung richtig gelegen hatte: Eine Trio-Konzeption entsprach nicht unbedingt seinen musikalischen Interessen. Mit Shoals-Drummer Ronnie Hawkins und Organist Harry Beckett, sowie einer Studio-Bläsergruppe und den beiden Gitarristen Pete Carr und Jimmy Johnson mußte es ein feines Album werden, und es wurde eins! Auf der Promotiontour für die Platte (November/Dezember 75) entsprach denn auch endlich die Anerkennung beim Publikum der Qualität der Musik. Die Hallen waren voll. Obwohl Koss gegenüber Fräser derzeit blass und unsicher wirkt, haben beide den ersten und damit wichtigsten Schritt hinter sich gebracht: den Schritt des Aufstehens, des Kämpfenwollens. Die nächsten Monate werden vorrangig das Management und die jeweilige Plattenfirma betreffen. Ihre Initiative und der Willen, etwas für die beiden zu tun, ist jetzt entscheidend für den Durchbruch oder „Durchfall“. Jeder von euch, der die letzten Platten von ihnen mit sauberen Ohren durchgeholt hat, wird zustimmen, daß sie es beide verdient haben. Mit etwas Glück und Cleverness werden die Andy Fraser Band und auch Backstreet Crawler wenn Koss auf den Beinen bleibt bald ebenso populär sein wie die Bad Company ihrer alten Kumpel. Andy dürfte sogar das Zeug für weit mehr in der Tasche haben.