Anti-Star im Skelettkostüm


Retaxed MUSCle: Eigentlich, so dachte man, ist Versteckspiel nur etwas für Kinder. Doch inzwischen finden immer mehr schon länger in die Jahre gekommene Britpop-Protagonisten Gefallen an diesem bizarren Zeitvertreib: Sie gründen ein Nebenprojekt und verleugnen ihre einstige Popstar-Identität mit allen Mitteln. Dämon Albarn von Blur hatte es mit seinen Cartoonfiguren vorgemacht. Auch Jarvis Cocker von Pulp hat sich jetzt ein neues musikalisches Baby zugelegt und tritt zwar selbst auf – aber eben nicht als er selbst, sondern maskiert als Darren Spooner und so verfremdet wie nur denkbar: Auf der Bühne erscheint er im Skelettkostüm mit ölverschmiertem Gesicht und zotteligen Haaren. Interviews gibt es nur per Telefon, wobei er seine Stimme elektronisch verändert und erfundene Geschichten auftischt. Etwa die, dass er in Pubs und Arbeiterclubs 20 Jahre lang Coverversionen von Rock’n’Roll-Songs gesungen hat. Höchst sonderbar.

Aber es hilft alles nichts; man muss sich an die Spielregeln halten und lauschen, was Spooners elektronische Stimme über den Sinn und Zweck der Maskerade berichtet.“.Bei mir lief zuletzt alles aus den Fugen. Ein schweres Alkoholproblem machte mir zu schaffen, außerdem hatte ich die Trennung von meiner Frau zu verkraften. Ich ziehe es vor, mich zu verstecken, damit mich niemand in diesem elenden Zustand erkennt. „Der Kreativität scheinen die feuchten Gelage aber nicht geschadet zu haben. Was Cocker/Spooner mit seinem Kumpel Jason Buckle auf dem Album a heavy night with relaxed muscle veranstaltet, ist überaus hörenswert. Die Musik orientiert sich stark am Electroclash-Hype, der seit einiger Zeit durch die Clubs der Metropolen geistert: ein punkiger Technosound, in dem man Härte, anarchistische Performance und Trommelrhythmen registriert. Ein Rückgriff auf die frühen 80er Jahre, als der damalige Jarvis in seiner Heimatstadt Sheffield von experimentellen Elektronikern wie Cabaret Voltaire umgeben war?“.Ich bin 44 Jahre alt und gehöre damit nun wahrlich nicht mehr zu der Altersgruppe, die man ständig in Clubs findet. Jason ist deutlich jünger, er weiß mehr darüber. Ich denke aber schon, dass es Parallelen gibt. Früher haben Musiker zu Hause ihre ersten Synthesizer ausprobiert und einfache Songs geschrieben. Das mache ich mit Jason jetzt auch.‘ Textlich geht es bei Relaxed Muscle eher unanständig zu. So erklärt der Sänger etwa in einem Song, er beherrsche seine Frau mit einem „Stab aus Eisen“. „DerSong .Rod Oflron‘ ist so konzipiert, dass ersieh in einer Werbekampagne für Viagra gutmachen würde. Politisch korrekt ist das gewiss nicht, oberes reflektiert, was jeder Mann denkt. Ich habe jetzt endlich die Möglichkeit, meine ehrliche Meinung über die Sorgen, die uns alle plagen, zu verbreiten, weil ich meine eigenen Songs singe, nicht mehr die anderer.“ Spooner will kein Popstar sein, sondern einer von uns- ein Mitglied in der Gemeinschaft der common people sozusagen. Da wäre er ja doch noch, der Querverweis zum alten Jarvis Cocker, wie wir ihn kennen. Oder gekannt haben,

www.roughtraderecords.com