Attacke Azteka: Best Of Airen


Ab jetzt einmal die Woche: ein Rückblick der besten Texte unseres Bloggers Airen.

Das ist jetzt wirklich der allerübelste Scheiss. Seit ich vor vier Jahren das erste Mal diese Musik zu hören bekam, musste ich mir bestimmt schon an die 500  Norteños antun. Nicht einer hat sich von dem ersten unterschieden. Norteños könnte man auch auf deutsch übersetzen und im Musikantenstadel playbacken lassen ohne dass es irgendjemandem auffiele. Es ist billigste Volksfest-Stimmungsmucke, schmachtend, jämmerlich, mit eintönigen Melodien. Der immergleiche Zweiviertelbass, um-tscha, um-tscha, die verstimmten Saxophone, der schräge, falsche Gesang, der immer wieder die aber auch wirklich exakt gleiche Melodie verhunzt. Dazu das frenetische Geklatsche irgendwelcher Besoffener im Hintergrund.

Kolumbianischen Ursprungs eigentlich, aber jeder Prolet in Mexiko hält etwas auf sein neuestes Cumbia-Piratentape. Ihr seid im dichten Verkehr Mexiko Citys und ein abgehalfterter, klappriger Mikrobus chauffiert euch mit lautem Gehupe durch stressige Slums? – Garantiert läuft Cumbia in den geklauten Speakern. Dein Taxifahrer schifft dich nachts durch die gefährlichsten <em>barrios</em> zu deiner Koks-Connection: Cumbia garantizada. Cumbia ist Proleten-Sound, Cumbia ist Nacht-Chiffre. Eins-Zwo-Eins-Zwo. Cumbia ist Unterschichten-Musik, ein kolumbianischer Paartanz sagt Wikipedia, und damit ist alles gesagt – zu diesem Sound wird gefickt, ja! Schwingende Elektro-Orgeln, sentimentaler Gesang und verhallte Zwischenrufe auf billigen Anlagen. Dichte Percussions, Altmännergesang und immer wieder das Akkordeon, von breiten, gegerbten Arbeiterpranken eher intuitiv intoniert. Auf richtig schlechten, alten Tapes kommt Cumbia erst so wirklich rüber. Cumbia erklingt an knisternden Lagerfeuern am Rande vergessener Pampa-Dörfer, oder in den überfüllten Mehrzweckhallen hitziger Dritt-Welt-Metropolen.

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Ja, Mexiko, das bunte Land der Kakteen, die Pyramiden der Mayas und Azteken, der von Erdbeben und Vulkanen erschütterte Boden, dieses von Drogenbanden zerfressene Kriegsgebiet, die fettesten Menschen weltweit, Tacos, Palmen, Sombreros und: Eine einmalige Musiklandschaft. Wer hört was? Was klingt wo und wann? Was hören die Alten? Was die Jungen? Was ist wirklich hörenswert? Was ist großer Mist? Und vor Allem: Was kennen wir noch nicht? Es gilt Klischees zu widerlegen, und noch öfter, sie aufs vulgärste zu bestätigen. Wir werden in einem seltsamen zeitverzerrten Spiegel über den Atlantik schauen und der Musik unserer Großmütter in einem neuzeitlichen Gewand begegnen, wir werden komische elektronische Palmenmusik hören, die nur am Meer funktioniert und sonst nie ans Festland gespült würde und wir werden vielleicht auch ein bisschen schauen, was mit uns Europäern geschieht, wenn wir diese ferne Musik einfach so wirken lassen. Bei einem Joint zum Beispiel. Ich sagte ja: Es wird anstrengend.