Beatles


Als erste europäische Zeitschrift hatte der Musik Express vor einem Monat ausführlich und ohne Fragezeichen über die bevorstehende Veröffentlichung einer Live-LP der Beatles berichtet. Zu dem Zeitpunkt, als der ME-Artikel geschrieben wurde, stand auch bei der Plattenfirma EMI das genaue Veröffentlichungsdatum noch nicht fest. Mittlerweile wissen wir jedoch mehr: „The Beatles Live At The Hollywood Bowl“ erscheint weltweit am 13. Mai; das Album enthält Ausschnitte aus zwei Konzerten, die die Beatles 1964 und 1965 jeweils in der Hollywood Bowl gaben. Die Freude der EMI über die Superplatte ist indes nicht ungetrübt, denn die Konkurrenz schaltete schnell. Noch im April stellte die deutsche Plattenfirma Bellaphon ein Doppelalbum vor mit Beatles-Aufnahmen aus dem Jahre 1962, live eingespielt im Hamburger Star Club.

Diese „Hamburg-Tapes waren in England bereits bei verschiedenen großen Schallplattenfirmen abgeblitzt. Vermutlich spielte dabei nicht nur die schlechte technische Qualität eine Rolle, sondern auch die prekäre Rechtslage. Kingsize Taylor, ein Liverpooler Musiker, der mit seiner Gruppe The Dominos seinerzeit ebenfalls zu den Gästen im Starclub zählte, schnitt den Beatles-Auftritt damals auf einem einfachen Mono -Bandgerät mit einem einzigen Mikrophon mit. Er soll die Bänder irgendwann mal Brian Epstein angeboten haben, der den Handel aber wieder vergaß.

Die englische Firma Lingasong dagegen griff jetzt zu und verdealt nun dieweltweitenLizenzen jener früheren Live-Mitschnitte, die mühselig auf 16 Spuren gezogen wurden, um dieKlangqualität zu verbessern. „Nachdem in den letzten Monaten auch die rechtlichen Fragen mit den Anwälten der Beatles geklärt wurden,stand einer Veröffentlichung nichts mehr im Wege“, schrieb die Firma Bellaphon etwas voreilig in einem Pressetext. Zu jenem Zeitpunkt nämlich, als diese Doppel-LP in Horst Faschers Hamburg-Club der Presse präsentiert wurde, lagen in London noch die Anwälte im Clinch.

Die Firma Apple versuchte im Interesse der Beatles insgesamt dreimal, eine einstweilige Verfügung gegen die Doppel-LP aus dem Star Club zu erwirken. Dann gab die Bellaphon Mitte April bekannt, daß der englische High Court auch in der dritten Instanz zugunsten der Firma Lingasong entschieden habe.

Somit kann der Verkauf der LP „The Beatles Live At The Starclub Hamburg, Germany, 1962“ vorerst ungehindert über die Bühne gehen. Allein 100.000 Vorbestellungen waren eingegangen für dieses Dokument der Popgeschichte. Spitzfindige Kenner der Beatles- Story jedoch ruhen noch nicht. Es geht jetzt um die Frage, ob Pete Best oder Ringo Starr zum Zeitpunkt des MitschnittsmitdenTrommelstökken wirbelte. Das genaue Datum der Aufnahme steht nicht fest. Das erste 1962er Starclub-Gastspiel der Beatles (noch mit Pete Best) dauerte vom 13.4. bis zum 31.5. 1962. Das zweite vom 1. bis zum 14.11.1962. In den Verträgen steht beide Male der Name Pete Best. Da die Beatles jedoch im Herbst 1962 bei der EMI bereits „Love Me Do“ aufgenommen hatten, ist es möglich, daß Ringo beim zweitenmal dabei war. Wie dem auch sei: „Wir überlegen schon, wann und wo wir wem die Goldene überreichen, “ erklärte ein Bellaphon-Sprecher.

Folgende 26 Titel wurden in schönster Starclub-Atmosphäre festgehalten: „I Saw Her Standing There“, „Roll Over Beethoven“, „Hippy Hippy Shake“, „Sweet Little Sixteen“, „Lend Your Comb“, „Your Feet’s Too Big“, „Twist And Shout“, „Mr. Moonlight“, „A Taste Of Honey“, “ Besame Mucho“, „Reminiscing“, „Kansas City“, „Ain’t Nothing Shakin‘ As Leaves On A Tree“, „To Know Her Is To Love Her“, „Little Queenie“, „Falling In Love Again“, „Ask Me Why“, „Be Bop A Lula“, „Halleluja I Love Her So“, „Red Sails In The Sunset“, „Everybody’s Trying To Be My Baby“, „Matchbox“, „Talkin‘ ‚bout You“, „Shimmy Shake“, „Long Tall Sally“, und „Remember You“.

Doch zurück zum ersten offiziellen Live-Mitschnitt, der von George Martin auf Dreispur-Bändern 1964 und 1965 in der Holywood Bowl festgehalten wurde. Zusammen mit dem Toningenieur Geoff Emerick leistete der Beatles-Produzent mühevolle Puzzlearbeit, indem er die Bänder so lange mischte, filterte und kürzte, bis 13 Titel in sauberer Tonqualität vorlagen. Eine beachtliche Leistung, wenn man bedenkt, daß die technischen Hilfsmittel für einen Live-Mitschnitt 1964 noch in den Kinderschuhen steckten. Die Beatles besaßen noch keine Monitor-Anlage und konnten sich weder singen noch spielen hören. Und eingebettet waren die Konzerte in das ohrenbetäubende Gekreische von 17 000 hysterischen Fans. John Lennon war von der nun vorliegenden LP jedoch begeistert.

Allen Beatles-Fans wird es ähnlich gehen, wenn sie „Twist And Shout“, „Dizzy Miss Lizzie“, „Roll Over Beethoven“, „Boys“, „Long Tall Sally“, „She’s A Woman“, „Ticket To Ride“, „Can’t Buy Me Love“, „Things We Said Today“, „A Hard Day’s Night“, „Help“, „All My Loving“ und „She Love’s You“ live at home genießen.