Bei aller Sozialkritik kommt bei Speech die Lebenslust nicht zu kurz


The Freedom of Speech: Seit sich die Landkommunen-HipHopper von Arrested Development aufgelöst haben, lebt deren Sprachrohr und Mastermind ein denkbar unspektakuäres, normales Leben, erholt sich vom Streß ausgedehnter Tourneen, kümmert sich um seine Familie und musiziert, wenn ihm gerade danach ist.

Sein schlicht ‚Speech‘ (EMI) betiteltes Solo-Album entstand beinahe beiläufig. Im heimischen Studio ließ der sprachgewaltige Amerikaner den Gedanken und den Klängen freien Lauf. Free Style Recording nennt Speech diese Arbeitsweise durchaus zutreffend. „Ich habe meine Songs nicht etwa komponiert, indem ich sie niederschrieb,“ erläutert Speech sein eher unkonventionelles Vorgehen bei einem Blitzbesuch in Müchen, „sondern ich sang einfach alles in ein Mikrophon hinein, was mir im Kopf herumgeisterte.“ Entspannt lehnt sich der HipHopper vom Lande zurück, atmet kurz durch, um dann in aller Ruhe mit der Beschreibung seiner ganz persönlichen Arbeitssystematik fortzufahren: „Ich habe mir angehört, was auf meine Weise entstanden war und dann das Material ergänzt. Manchmal, wie etwa im Track ‚Poor Little Music Boy‘, habe ich nicht einmal genau verstanden, was genau ich da ausdrücken wollte. Das kapierte ich erst, als der Song fertig war und ich ihn mir noch einmal sehr genau vornahm.“

So weit, so gut. Doch wie klingen die neuen Songs von Speech nun wirklich? Wie nicht anders zu erwarten, konfrontiert der schwarze Pop-Philosoph seine Zuhörer mit verschiedenen Stilarten der Black Music und mit Überlegungen zu Gegenwart und Geschichte der Afroamerikaner. „Die sogenannte zivilisierte Welt ist nicht besser geworden, seit Marvin Gaye 1971 ‚What’s Going On‘ geschrieben hat“, meint Speech, der sich mit einem Titel seines neuen Albums auf den Songklassiker von Gaye bezieht. Und Speech ergänzt: „Es gibt immer wieder einzelne Personen, die ein Beispiel setzen für Menschlichkeit, Fantasie, Stolz und Fortschrittlichkeit. Aber das System und die Gesellschaft ganz allgemein haben kaum eine Wendung zum Besseren hin genomment.“

Trotz aller Kritik in Songtexten, die gelegentlich auch schon mal den einen oder anderen Haken schlagen: Keinesfalls möchte Speech als Miesmacher oder Pessimist verstanden werden. Doch diese Gefahr ist ohnehin gering, denn dafür klingt die Musik des Exkommunarden einfach zu positiv. „Wir werden schon derart mit den Schlechtigkeiten und Abgründen überschüttet, daß nicht auch noch ich ein pessimistisches Weltbild zeichnen möchte. Zwar spreche ich in meinen Texten immer wieder negative Tendenzen oder Zustände an, wer aber genau hinhört, wird feststellen, daß ich die Vorzeichen gern von Minus in Plus umwandle. Ich versuche das Gute zu sehen, denn ein Dauerbeschuß mit Negativem frißt dich auf. So werfe ich den sogenannten Gangsta-Rappern auch vor, daß sie lediglich die Zustände in ihren brutalen Neighbourhoods beschreiben und sich dabei auch noch kräftig bereichern. Nie bieten sie Lösungsvorschläge für die Probleme an, mit denen sie hausieren gehen.“

Einmal in Rage, könnte Speech noch lange so weiterreden. Doch dafür ist dem Mann aus Georgia seine zeitweilige Ruhe denn doch zu wertvoll. Bald schon nämlich geht Speech wieder auf Tour —- mit neugegründeter Band und einem Koffer voll aktueller Songs.