Björk


Es war immer noch taghell draußen vor der Halle, als die Eisprinzessin unter endlosem Gejohle und hysterischem Gekreische aus 5500 Kehlen die Bühne betrat – um 22 Uhr Ortszeit! Gemeinhin wird das dauernde Tageslicht als Mitternachtssonne bezeichnet. Dieser Begriff deutet die Auswirkungen auf die Seele der Menschen in Island schon an: Schlaflosigkeit und ein latentes Gefühl von Überdrehtheit. Ideale Voraussetzungen also für die phänomenale Rückkehr der uneingeschränkten Königin Islands, dieses Staates mit gerade mal 260.000 Einwohnern. Björk, der 155 Zentimeter kleine, erotische Dreikäsehoch, bringt das Publikum mit vertracktem Pop im Nu auf die Beine. Ideale Voraussetzungen aber auch für einen brodelnden, endlosen Rave – denn nach Björk ist mit dem Trio Underworld aus London Dancefloor total angesagt. Auch ein Grund, weswegen die Laugardalshöll schon Wochen zuvor ausverkauft war. Denn Underworld ist hier weit mehr als ein Insidertip und Björk gar die Nationalheilige. Fünf Titel aus ihrem Erfolgsalbum „Debüt“ eröffnen ihren Gig. Druckvolle, kernige Songs, hinreißend gesungen und von einer sechsköpfigen Band meisterlich gespielt. Zwar honoriert die Menge die exzellenten Lieder mit lautem Beifall. Doch den meisten Applaus erhält die Pop-Fee immer dann, wenn sie in ihrer Muttersprache Jazz-Standards anstimmt. In diesen Momenten wird sie wahrhaft wie eine Eisprinzessin gefeiert. Kurz vor Mitternacht dann der zweite, tanzbetonte Teil der langen Nacht im hohen Norden. Underworld, für ihr aktuelles Album „Dubnobasswithmyheadman“ soeben zur neuesten englischen Dance-Entdeckung gekürt, wirken im Vergleich zu Björk hypermodern. Auf der Bühne nur Synthies, Sequencer und eine einsame Gitarre. Doch als die Maschinen zum Leben erweckt werden, wird’s den Besuchern wundersam warm ums Herz. Ein rhythmischer Fluß setzt sich in Bewegung, der sich auf mitreißende Art einen Weg durch Rock, House, Techno und Trance bahnt.