Blur & The Coral – Hamburg,


Intensive Momente, ein paar Langen und ein schizophrener Mittelteil: Blur machen vieles anders als erwartet.

Es ist ein Kreuz mit der Großen Freiheit: Immer wieder beginnen hier Konzerte weit vor der Abendbrotzeit. Auf Tickets, in Ankündigungen und sogar auf der Homepage des Veranstalters steht:“.Beginn 21 Uhr . Dahaben The Coral dann aber schon längst gespielt. Punkt acht müssen sie rauf auf die Bühne und blicken enttäuscht in gerade mal 150 irritierte Fan-Augenpaare. Ihrer Qualität tut das aber keinen Abbruch: Das zum Septett aufgestockte Lieblingskind der britischen Pop-Presse shuffelt sich präzise und doch ganz schön ungezügelt durch seinen sphärischen Blues und psychedelischen Folk. rockt hier, schmeichelt dort und überzeugt durch bemerkenswerte Präsenz. Nicht anders Blur. Unrasiert, ungekämmt und fern der Heimat begrüßen sie das zunächst lund zumeist] hanseatisch reservierte Publikum. Dämon Albarn, feuchter Traum ganzer Jungmädchengenerationen, ist Paradoxon in persona: Äußerlich dank prollig dickem Goldkettchen, bemerkenswert unkleidsamer Jogginghose und verranztem Schlabbershirt ganz der Asi, gibt er sich am Mikro konziliant, zutraulich, schalkhaft, nahbar. Er scherzt, sucht die Nähe des Publikums, scheint sich pudelwohl zu fühlen. Und dann: das Programm. Ein überraschend ausgewogener Querschnitt durch die Bandhistorie, mit einem eindeutigen Hang zu den eher balladesken Momenten. Was Sinn macht, weil so die assoziierten Gastmusiker – ein flächenstreuender Keyboarder Ider ein bisschen aussieht wie Blurs verlorener Sohn Graham Coxon. den im übrigen ex-Verveler Simon Tong an der Gitarre unspektakulär-solide ersetzt!, ein Percussionist sowie ein dreiköpfiger Gospelchor – sehr viel mehr Gewicht bekommen. Ein echtes Fan-Medley mit wunderbaren Songs, die man wohl nicht erwartet hätte: Fast klassische Mega-Balladen wie ..To The End“ oder „This Is A Low“, viele alte und uralte Stücke in einer stetig wogenden Balance. Man schwelgt, man schwebt dahin, und doch beginnt man sich nach einer Weile einen eruptiven Ausbruch aus der dynamischen Gleichförmigkeit zu wünschen, weil es etwas langatmig zu werden droht. Der kommt und ist dann doch komisch: Urplötzlich wird es massiv laut, eine brachiale Version von „Song 2“ peitscht den Saal, Dämon taucht mit einem Köpper ins Publikum, lässt sich tragen, feiern, betatschen. Direkt danach eine holprig housige Version von „Girls & Boys – man ist etwas verwirrt: Ist das die gleiche Band? War’s nur Alibi? Ein kurzer Pro-forma-Aufschrei, um Hit-orientierte Gemüter zu befriedigen? Doch kaum stellt man sich diese Frage, ist der Spuk schon wieder vorbei, es regiert wieder das ausgewogen folkige Songwritertum. Nach knapp zwei Stunden ist Schluss, man ist nicht unhappy. War ein schöner Abend. Wenn auch nicht ohne Tücken. >>>

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