Buchkritik: Wir haben Schorsch Kameruns „Die Jugend ist die schönste Zeit im Leben“ gelesen

In dieser Woche erscheint das erste Buch des Die-Goldenen-Zitronen-Sängers und Theater-Regisseurs Schorsch Kamerun. Es ist ein vorsätzlich widersprüchliches Vergnügen – und ein gutes gesellschaftspolitisches Aufklärungsbuch obendrein.

Was Schorsch Kameruns erstes Buch alles nicht ist – das lässt sich wohl erst einmal leichter beantworten. Es ist keine Autobiografie, die „Karriere“ und Privates sich unterhaken lässt, und so Schorsch_Kamerun_Buchcoverhopsen sie dann sich gegenseitig mit Anekdoten zuwerfend Richtung Fußnoten-Fade-Out. Es ist auch keines dieser zeitzeugenbezeugten Popkulturgeschichtsbücher, von denen inzwischen so viele erschienen sind, dass sich sogenannte Phänomene wie NDW oder Black Metal fast schon vollumfänglich rekonstruieren ließen. Wie man glaubt. Und es ist kein (Post-)Manifest, das den (jungen) Leuten erklärt, wo der Widerständler bereits by Prä-Pubertät seinen Widerwillen, das Werkzeug und das Durchhaltevermögen her hat, Sand ins Getriebe der großen Gleichschaltungsmaschine zu streuen.

„In den 70ern wurde man in diesem Kaff an der Ostsee noch von alten und neuen Nazis abgebügelt und verdroschen.“

Tatsächlich sind diese 256 Seiten von all dem ein bisschen. Deshalb braucht es auch einen gewissen Drive, um sich nicht wie ein Von-allem-ein-bisschen-Buch zu lesen. Schorsch Kamerun hat diesen Drive. Er schreibt – früher hätte man gesagt: „höchst lebendig“ und sehr empathisch– über seine Jugend in einem Touristenkaff an der Ostsee. Wie man dort noch in den 70ern von alten und neuen Nazis – Lehrern, Stiefvätern, Mofa-Idioten – abgebügelt und verdroschen wurde. Er erzählt von ersten Sabotageakten, infiziert vom Punk, seiner Flucht nach vorn nach Hamburg. Und wie er auf beste Menschen stößt, auf Künstler und anwendende Philosophen, die ihn immer wieder neu anstoßen. Und darüber, dass einem die Nazis (vereinfacht) wie auch die eigenen Widersprüche (niemals einfach) trotzdem verfolgen werden, noch bis in die „Hochkultur“.

Doch, und das verwirrt erst einmal, Kamerun nennt keine Klarnamen, sondern gibt Menschen und Orten neue. So wird aus Thomas Sehl alias Schorsch Kamerun Horsti alias Tommi from Germany. Warum er das macht? Vereinfacht könnte man sagen, es geht ihm um die Sache und nicht um die handelnden Personen. Ja, sogar um eine Botschaft – nämlich dass man immer wieder zu den anderen Menschen gehen muss, wenn man am Leben bleiben will. Und irgendwann wenigstens ein bisschen verstehen.

So wie das Buch heißt auch ein Song von Schorsch Kamerun: „Die Jugend ist die schönste Zeit des Lebens“. Im Schauspielhaus Hamburg, wo Kamerun zuletzt das Stück „Die disparate Stadt“ inszenierte, nahm er das Stück extra zum Erscheinen seines Schriftsteller-Debüts neu auf:

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