Calling Elvis


Kommt Rock'n'Roll künftig aus dem Bildschirm? ME/Sounds-Redakteur Wolfgang Hertel wollte es genau wissen - und ging ins Netz.

Du kannst ohne Umwege mit Courtney Love diskutieren und dich mit Eddie Vedder über die Leiden eines Rockstars unterhalten. Du hast per Mausklick uneingeschränkten Zugang zu exklusiven Konzerten der Stones und von Aerosmith. Du kannst bislang unveröffentlichte Songs von Madonna anhören und aktuelle Videos der Beastie Boys begutachten. Das World Wide Web (WWW), macht’s möglich. So zumindest habe ich mir das vorgestellt, nachdem in sämtlichen Medien ein neues Zeitalter der Kommunikation ausgerufen wurde. Da ist viel die Rede von „Information-Highways“ auf denen man „surfen“ kann. Dort tummeln sich „Nerds“, die nächtelang durch den „Cyberspace“ irren. Ich bin da wohl nur ein „Lamer“, wie mich das Jugendblättchen „jetzt“ belehrt. Einer, der zwar mitreden will, im Grunde aber keine Ahnung hat. Ich habe es trotzdem versucht und die Auffahrt zur „Datenautobahn“ genommen. Um es gleich vorwegzunehmen, ich habe mich nicht mit Courtney Love unterhalten, ich bin auch nicht an Eddie Vedder herangekommen. Das mag vor allem daran liegen, daß die beiden (wie auch Krist Novoselic, Moby und viele andere prominente Zeitgenossen) zwar über einen Zugang zum Internet verfügen, also Messages rund um den Globus schicken können, deswegen aber noch lange nicht ihre persönliche Nummer bekanntgeben. Dafür habe ich Videoclips im Internet gesehen. Keine ganzen, versteht sich. Die Datenmengen wären viel zu groß. Kurze Ausschnitte. Zum Beispiel habe ich mir einen 30-Sekunden Schnipsel des Videos zu Marleys ‚Iran Lion Zion‘ auf den Bildschirm geholt. Die Ladezeit betrug die Wenigkeit von 14 Minuten. Bei einem anderen Video mußte ich nach löminütiger Wartezeit feststellen, daß mir die Software fehlte, um den Clip abzuspielen. Ähnlich verhält es sich bei Songs. Ein 2osekündiger Ausschnitt aus dem Soundtrack zu „Pulp Fiction“ läßt doch satte fünf Minuten auf sich warten. Generell ist es so, daß der Datentransfer von Klängen und bewegten Bildern noch vergleichsweise lange dauert. Anders bei reinen Info- und Entertainmentseiten, die mit Bildern oder Graphiken aufgemacht sind. Da geht man dem Internet unweigerlich ins Netz. Die Möglichkeiten scheinen unbegrenzt. Die Wartezeiten, bis die Verbindungen hergestellt sind, dauern kaum länger als 20 Sekunden. Da trifft man dann nach kürzester Zeit und ohne größere Vorkenntnisse auf die Simpsons, fachsimpelt mit anderen Trekkies über Mr. Spocks Ohren, blättert in der neuesten Ausgabe des amerikanischen Playboy oder holt sich Informationen über eine möglichst umweltfreundliche Beerdigung nach seinem Ableben. Den Ausflug ins Planetarium kann man ebenso vom heimischen Bildschirm aus starten wie den Gang zum Arbeitsamt. Claudia Schiffer und Co. begegnet man genauso wie irgendwelchen durchgeknallten amerikanischen Neo-Nazis. Der amerikanische Internet-Guru Jason Lanier hat es unlängst auf den Punkt gebracht: „Das Internet ist ein Spiegel der Gesellschaft. Es zeigt ihre guten und ihre schlechten Seiten. Manchmal ist es beängstigend, in den Spiegel zu schauen.“