Casper: Das nächste große Ding oder nerviger Emo-Rap?


Seine Szene ist gespalten wie lange nicht mehr. Dabei hat der deutsche Rapper Casper mit XOXO nur die konsequenteste HipHop-Platte des Jahres gemacht.

Ein Newcomer ist Benjamin Griffey nicht. Geboren wurde er vor knapp 29 Jahren in Bielefeld, schon eingangs dieses Jahrhunderts rappte er mit der Gruppe Kinder des Zorns. Er hat zwei Soloalben und eine EP mit der Hardcore-Band Not Now, Not Ever aufgenommen, zwei Labelwechsel hinter sich. Und doch riecht XOXO (Four Music) schwer nach Debütalbum. Weil es diese Energie hat. Und diesen Sound. Seinen Sound.

„Soul und Funk waren nie Referenzen für mich“, sagt Casper über den Sample-Kanon der Altvorderen. „ Niemand hier hat als Kind Aretha Franklin und Marvin Gaye gehört. Es gibt in Deutschland ganz andere kulturelle Hintergründe. Wenn man also behauptet, Rap sei die Sprache der Straße, dann muss man das auch ernst nehmen und Musik machen, die reflektiert, was da passiert, auf der Straße.“

Im Falle von Casper heißt das: Skateboard fahren. Zwischen Bösingfeld, Bielefeld und einem Trailerpark in der Heimat seines kanadischen Vaters pendeln. Ein Studium abbrechen. Schreiben. Nebenbei in der Kneipe kellnern. Irgendwann nach Berlin ziehen. Mehr schreiben. Und dabei alles hören, was eben gerade aus dem Herzen spricht: The Smiths, Gallows, Ian Curtis, Röyksopp, Bruce Springsteen, Kettcar, Postal Service, aber auch Boards Of Canada, How To Dress Well, die Deutschrap-Kollegen Tua und Marteria, Ambient, Black Metal, Crunk und Kanye West. All diese Einflüsse hat er gemeinsam mit seinem Produzenten Steffen „Steddy“ Wilmking (Ex-Thumb, Timid Tiger) amalgamiert und in wirklich große Songs verwandelt.

Casper ist eher Analytiker als Instinkt­musiker. Seine Musik klingt, wie sie klingen soll, nicht wie sie klingen muss. Ganz ähnlich die Texte, die deutlich mehr Themenabend sind als Technikgemetzel à la Eminem. Sauber gerappt, aber vielfach abstrahiert, bewusst offen. Casper bringt die Dinge nicht auf den Punkt, er treibt sie auf die Spitze. Immer höher, bis dahin, wo die Luft ganz dünn wird und die genreübliche Sechzehner-Semantik einfach zerbirst, wie tausend kleine Explosionen im Himmel. Wenn er von „deinem Alaska“ rappt, dann meint er damit zwar eine über die Jahre eingefrorene Liebesbeziehung. In Wahrheit aber geht es genauso auch um alle anderen Alaskas.

Das was jeder einzelne Hörer in diesem Ort finden kann. Ge­fühle eben. Also doch Emo-Rap? Nicht mehr und nicht weniger als Public Enemy. Und gerade deswegen so gut.