Cat Power, Köln Live Music Hall


Chan Marshall gibt altes: kraftvollen Soul, Blumen, Papiertaschentücher...

Manch alter Cat-Power-Fan schlurft an diesem Dienstagabend nicht ohne Grund skeptisch in die Live Music Hall. Denn viele, die das fragwürdige Vergnügen hatten, Chan Marshall in den 90ern live zu sehen, wissen Absonderliches zu berichten: Mal sei sie einfach von der Bühne gerannt, mal gab es Tränen, ein andermal Publikumsbeschimpfungen, wieder andere Shows verbrachte sie muffig mit den Haaren vorm Gesicht. Die mittlerweile trockene Alkoholikerin hat den Ruf einer unberechenbaren Depri-Diva, die einem ganz schön den Konzertabend verderben kann. Für die vielen Besucher, die die früheren Eskapaden der 36-Jährigen nicht persönlich miterlebt haben, berichteten zuletzt sogar hiesige Boulevardblätter vom verrückten Indie-Pinup-Girl mit der unvergleichlichen Soulstimme.

Doch als sie jetzt nach ihrer Delta Blues Band die Bühne betritt, ist sofort absehbar, dass es heute keine Ausfälle geben wird. Chan Marshall trägt enge schwarze Jeans zum schlichten grauen T-Shirt, stellt sich an den Bühnenrand und lacht fröhlich in die Runde. Einen kleinen, wenn gleich hoch unterhaltsamen Knall hat sie trotzdem noch: Marshall malt jede Liedzeile mit ihrem Körper nach, sie krümmt und streckt sich, als wolle sie ihre tiefe, volle Soulstimme noch ein Stück weiter in die Länge zerren. Ihre zierliche Erscheinung und die hippiesken Bewegungen erinnern an die junge Jane Birkin, und man wartet eigentlich nur noch darauf, dass sie gleich die Schuhe auszieht. Zwischendurch bindet sich Chan Marshall immer mal wieder die Haare zusammen, eine Art Ärmelhochkrempel-Geste, als wolle sie nun richtig zu Werke gehen. Ein paar Schlucke aus der Wasserflasche, ein Lächeln für die Band, ein Lachen ins Publikum, und es geht weiter. Im Saal wird entweder geknutscht oder andächtig gestarrt; manch einer wiegt sich mit geschlossenen Augen in der Schwüle der Musik. Marshalls Band hat nichts von einer piefigen Retro-Band, sondern bietet pure Andachtsmusik. Neben alten und neuen Songs, fremdem und eigenem Material gelingen vor allem ihre Anverwandlungen von „She’s Got You“ von Patsy Cline und James Carrs „Dark End Of The Street“.

Doch nicht nur ihre Musik rührt-es ist auch diese junge Frau selbst, die nicht mehr im dunklen Eck stehen will. Am Ende möchte sie gar nicht mehr gehen. Sie redet zwar kaum, verteilt aber emsig Blumen, die sie aus dem Backstageraum holt; als keine mehr da sind, überreicht sie das Dekogrünzeug. Dann holt sie mangels anderer Geschenke Papiertaschentücher und wirft sie zerknüddelt in die Menge. Dabei tänzelt sie herum, winkt und lacht, als könne sie heute gar nicht genug davon bekommen, dem Publikum etwas von sich zu geben.

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