Charlie Sexton


The Texas Wunderkind ist wieder da. Vor zwei Jahren brach Charlie Sexton unter der Last der Vorschußlorbeeren zusammen und seine Debüt-LP kommerziell ein. Sylvie Slmmons klärt den Irrtum um Hype und Flop auf.

Legenden haben es schwer, besonders solche, die mit so viel Vorschußlorbeeren bedacht wurden wie Charlie Sexton. Eine gigantische Promotion-Kampagne ging dem Erscheinen von Charlies erstem Album PICTURES FOR PLEASURE 1986 voran. Spielte er doch schon mit 11 Jahren in diversen Bands, war mit 13 auf Tour mit Country-Star Joe Ely und verließ bereits mit 14 sein Elternhaus um mit seiner (älteren) Freundin zusammenzuziehen.

A&R-Männer, von beiden Seiten der US-Küste eingeflogen, kämpften um Charlie’s Gunst, dennoch ließ er sich zwei Jahre Zeit, bevor er einen Platten-Vertrag unterschrieb, während sein „Preis“ weiter anstieg und er bereits als Wunderkind verehrt wurde.

Nach soviel Lobhudelei erwartete man zumindest einen Stevie Ray Vaughan, Eddie Cochran oder die gesamten Fabulous Thunderbirds in einer geballten, unwahrscheinlich talentierten, unglaublich gutaussehenden, jugendlichen Form. Stattdessen bekam die Welt eine Rockpop-Puppe a la Billy Idol, mit perfekt gestylter Haartolle, serviert.

Mehr als zwei Jahre später, hat Sexton – der noch immer ein Jahr warten muß, bevor er offiziell (mit 21 ) in einer texanischen Bar Whiskey in sich hineinschütten darf – sein zweites Album veröffentlicht. Es trägt den schlichten Titel CHARLIE SEXTON II und ist eine wesentlich selbstbewußtere Rockplatte als das Debüt geworden, was sicher auch der straffen Produktion von Bob Clearmountain (Bryan Adams, Journey) zu verdanken ist.

Der Billy Idol-Produzent Keith Forsey wurde von den Kritikern in erster Linie dafür verantwortlich gemacht, Charlies ungeschliffenen Shuffle-Blues auf dem ersten Sexton-Album in ein gesichtsloses Produkt der Hollywood-Hitmaschine verwandelt zu haben. Sexton wehrt sich jedoch gegen diese Behauptung: „Als meine erste Scheibe herauskam und sich anders anhörte, als eine Menge Leute sich vorgestellt halten, sagte jeder.Oh, Gott, was hat Forsey bloß aus Charlie gemacht?

Was die Richtung angeht, habe ich Keith mehr gedrängt. Das Studio war so aufregend für mich, und ich hörte eine Menge neuer Musik zu der Zeit – ich war einfach ein sehr leicht zu beeindruckender Junge, könnte man sagen. Ich habe ihn dazu gedrängt, von dem Bild/Sound, den jeder erwartete, abzuweichen.“

Das Bild eines jüngeren, hübscheren Stevie Ray Vaughan vielleicht, ein puristischer, tief verwurzelter Blues Boy?

„Genau, und ich hatte nicht die Absicht, diesem Bild zu entsprechen. Denn ich habe zuviel Respekt vor dem Blues. Ich würde keinen B.B. King-Song covern und einen Haufen blödsinniger Produktionsideen draufklatschen, um ihn fürs Radio oder irgendwen sonst akzeptabel zu machen. Ich halte das richtiggehend für Frevel! Ich halte mich an mein Ding: Musik, tief verwurzelt im Rock’n’Roll.“

Die lange Pause bis zum neuen Album hatte nichts mit Grübeln über einen neuen Stil oder Wundenlecken zu tun – zumindest nicht im herkömmlichen Sinn. Dafür um so mehr mit einem fahrerflüchtigen Raser in Hollywood, der Charlie von seiner Harley Davidson herunter in eine monatelange, schmerzhafte Therapie (wegen einer kompliziert gebrochenen Hand) katapultierte. Eine breite Narbe von Handgelenk bis Ellenbogen blieb ihm als Souvenir. Zwischen Operation und vollständiger Genesung produzierte er einen Titel für Penelope Spheeris Film „Dudes“. Außerdem taucht er auf dem Debütalbum seines jüngeren Bruders Will Sexton, WILL AND THE KILL, auf und schrieb mit Steve Earle, Tonio K. und Danny Wilk an seinem neuen Album.

Momentan sucht Charlie in den Staaten Musiker für eine Tour als Anheizer für Jimmy Barnes zusammen, die in Australien beginnen wird. Zuhause, das bedeuted inzwischen Hollywood. Austin, Texas meint er, „ist zu wenig Stadt. Du scheißt in den Park und am nächsten Tag weißes jeder. In LA., kannst du zumindest sicher sein, daß keine Leute vorbeikommen und dir die Türe einrennen, wenn du keine Lust hast auszugehen. In LA, mußt du gar nichts sein. “ Auch nicht, wie mancher vielleicht schon vermuten könnte, eine kleine Legende.