Coachella Festival 2014: Das letzte Rich Kid macht das Licht aus


Autorin Kristina Baum bereist die Westküste der USA und bündelt wöchentlich ihre Eindrücke aus der lokalen Musikszene. Zum Finale: das Coachella Festival im kalifornischen Indio.

Träumchen wahr gemacht! Zum Abschluss einer knapp dreimonatigen Tour durch Seattle, San Francisco und vielen anderen skurrilen bis traumhaften Fleckchen wurde es nicht nur noch einmal richtig heiß, sondern auch ziemlich fett – die 375 Dollar, die ich im Mai vergangenen Jahres mal eben spontan für ein Coachella-Ticket ausgegeben hatte, haben sich endlich ausgezahlt. Hier meine Eindrücke vom zweiten Coachella-Wochenende, das vom 18. bis 20. April 2014 im kalifornischen Indio stattfand.

Amerikanische Festivals sind mit keinem Hurricane, Highfield oder Rock am Ring zu vergleichen – weder in Sachen Publikum noch bei den Trink- und Drogengewohnheiten. Und ganz zu schweigen vom Stock im Allerwertesten der meisten Security-Leute, die es sich zur Aufgabe gemacht zu haben scheinen, dir den Aufenthalt so unangenehm wie möglich zu gestalten. Nach einer 45-minütigen und Kräfte zehrenden Komplettdurchsuchung unseres bis an die Belastungsgrenze beladenen Vans und eine Packung Aspirin (vom lokalen Wachschutz auch Ecstasy genannt), eine Wasserpistole und einen popligen Handspiegel ärmer, rollen wir fluchend auf das gepflegt grasgrüne Gelände des Empire Polo Clubs. Dort erwartet die Gäste bereits ein geheimes Drogen-Eldorado, denn was wir Noobs aus Deutschland und wohl auch die Sicherheitsmenschen am Einlass nicht wissen: Selbst Lassies Nase versagt bei mit Stoff gefüllten Kondomen in Erdnussbutter.

Bei umherfahrenden Astronauten, endlosen Luftballonketten am Himmel, bunt flackernden Marshmallowbäumen und Lasershows, die einem selbst völlig nüchtern wie ein krasser Trip vorkommen, wird mir schnell klar, warum die Besucher hier beim Schmuggeln besonders kreativ werden, nicht zuletzt dank der strengen Alkoholpolitik des All-Ages-Festivals. Nur mit ID-Check und in kleinen, bewachten Nischen kann man ein Bierchen zischen, das Trinken auf dem Rasen vor der Bühne fällt aus Altersschutzgründen flach. Das Trinken im Allgemeinen übrigens auch, denn beim überragenden Line-Up bleibt eigentlich kaum Zeit, sich tatsächlich auf einen für deutsche Festivals üblichen Pegel zu bringen. Bloß gut, sonst würde einem die Hitze in der prallen Wüstensonne auch einfach mal den Boden unter den Füßen wegziehen.

Das zweite Coachella-Wochenende ist kein prominentes Schaulaufen, wie es die Unterhaltungsmedien gerne propagieren. Außer All-Time-Paparazzi-Favourite Vanessa Hudgens und einigen Kardashian-Abkömmlingen tummelten sich vornehmlich „normale“ Rich Kids in Hot Pants, bauchfreien Blümchentops und perfekt gelegten Beachwaves in der Wüste.

Der Mangel an Stars und medialem Interesse hat sein Gutes, denn auch viele Bands machen einen entspannten Eindruck, was ihren erneuten Auftritt angeht. Chvrches zum Beispiel versprachen „Last week was a rehearsal“ und auch Pharrell Williams kann nach seinem Sandsturm-Debakel vom vorangegangenen Wochenende voll überzeugen – nicht zuletzt, weil er diesmal die wohl meisten Cameo-Musiker mitbringt. Neben Usher, T.I. und Busta Rhymes kommt auch Jay Z mal eben für ein paar Songs auf die Bühne. Outkast haben sich den Publikumsschwund vom ersten Wochenende zu Herzen genommen und Hits wie „Hey Ya“ vorgezogen. Musikalisch gesehen gibt es von meiner Seite jedoch andere abzufeiern: Der Auftritt von Muse steht dabei dank Lightshow, Feuer und Theater-Pipapo mit Abstand an erster Stelle, obwohl sie auf viele Hits verzichtet haben.

Wer seinem Festivalerlebnis noch eine Note Glitzer und Glamour verpassen möchte, ist beim Coachella genau richtig. VIP Areas, auch für gut zahlende Normalsterbliche, stehen an allen Ecken und Enden zur Verfügung. Du willst bei deiner Lieblingsband vorne stehen? Kein Ding, wir sperren hier vorn mal die halbe Seite für die Reichen ab. Du willst keine zwei Stunden bei 35 Grad auf eine Dusche warten? Kein Problem, für 5 Dollar darfst du dich vordrängeln und kriegst sogar noch Strom für dein Glätteisen. Gerne will man da Frank Turner glauben, der seinem Publikum weismachen wollte: „Letztes Wochenende war für die Hipster.“

Trotz alledem: Wer gute Musik liebt, bekommt sie beim Coachella. Von Mainstream-Künstlern, über die Helden von damals bis hin zu friemeliger Nischenmusik wird wirklich jedem etwas geboten und so sind auch die Gäste bei näherer Betrachtung so abwechslungsreich wie das Coachella selbst. Die Selbstverliebten, die Altrocker, die Hippies, die Frat-Boys – sie alle machen Fotos mit dem putzigen Mondmann und sind sich letztlich ja doch ganz einig darüber, dass dieses Festival wohl eines der schönsten der Welt ist. #nofilter #yolo