Coldplay: Coldplay in der Re-Review


Parachutes (2000)

Parachutes gehört wohl nicht zu den Debüt-Alben, von denen man in 20 Jahren noch raunen wird. Die späteren Sound-Signaturen der Band werden darauf nur vorsichtig angedeutet. „U2 auf Samtpfoten“? „Songs, die immer ein bisschen zu melancholisch klingen'“! Damals war das wohl neu, jedenfalls so neu, wie eine Band sein kann, die sich ausdrücklich auf eine Band wie Travis bezieht, die nie auch nur den Hauch einer Novität verbreitete. Heute fällt mir auf, wie unaufgeregt die Band Coldplay Chris Martins Gang an die Klagemauer des Britpop begleitet. Die Gitarren klirren genügsam im Hinterland dieser Songs, sie wollen gar keine Hauptrolle ein nehmen. Aber das ist nur funktional, Chris Martin konnte seine Verzweiflung an der Welt in voller Breite inszenieren.

A Rush Of Blood To The Head (2002)

Coldplay mussten früher Erwartungen wuchten und gewichten, als einem Newcomer lieb sein kann. Und lösen konsequent gleich das Stadionticket. Hauen fester drauf, halten Melodiebögen mit Perlentaucheratem, wechseln Akkorde mit der Erhabenheit von Rockgöttern (was sich nach hinten raus in Lahmarschigkeit auswächst). Schmerzfreier Fall von Erwartungserfüllung, für mich als Rezensenten, damals. Wochen später liefen mindestens zwei Singles immer irgendwo gleichzeitig. Und klopften mich weich. Wer das nicht mag, mag keinen Pop. Sechs Jahre später schmeckt „A Rush…“ längst nach Erinnerungen an milde Sommerabendstunden draußen im Verklärungsland. Komisch, dabei hatte ich diese Erinnerungen zu ganz anderer Musik gesammelt. Sie flössen einfach ungefragt mit ein, als die Rockgeschichte hiermit fortgeschrieben wurde. Das können nur Klassiker,fürchte ich.

X&Y (2005)

Eher selten, dass eine Band sich so von ihrem erfolgreichsten Album distanziert, wie es sich bei Coldplay und „X&Y“ andeutet. Ist das wieder Chris Martins „Es hassen uns eh alle“-Koketterie, die doch stets auf ein „Ach was, Chris, das bildest du dir nur ein!“ spekuliert? Okay: Ach was, Chris, „X&Y“ ist doch nicht so schlecht. Ist doch klar, dass ihr nach „A Rush Of Blood…“ dachtet, ihr müsstet jetzt das absolute Megading raushauen und jeden Song noch mit fünf Soundschichten mehr toppen als nötig. Und ja, deine Texte suppen zum Teil gewaltig ins Beliebig-Salbungsvolle. „Überambitioniert“ sagen wir Musikschreiberlinge dazu, ein paar der Songs auf der Platte mag man echt nicht mehr anhören. Aber Chris, ich finde heute wie damals: Wenn U2, die du ja so toll findest, Songs hätten wie „Fix You“, „Speed Of Sound“, „Talk“, würde wahrscheinlich auch ich kapieren, was an deren letzten zwei Alben so toll sein soll. Reicht das, Chris?