Compact Discs


Das Angebot wächst und wächst und wächst, doch unter die Silberlinge mischen sich vermehrt auch schwarze Schafe. Franz Schaler trennt die Spreu vom Weizen.

Reden wir also über Qualität: Mit der nehmen es manche Firmen neuerdings nicht mehr so genau, insbesondere dann, wenn es sich um „Midprice“-Veröffentlichungen handelt, wie sie in den letzten beiden Monaten vor Weihnachten in den USA geradezu sturzflutartig in die Läden transportiert wurden. Alarmiert durch stagnierenden Absatz bei vergleichsweise hohen Preisen (12 bis 16 Dollar), legten etliche US-Firmen eiligst umfangreiche Billigpreis-CD-Serien auf, um so den Käufer mit normalerem Budget zu erreichen, der bislang mit der MC-Qualität zufrieden war. Vieles davon wurde noch vor Weihnachten geschwind über den Atlantik importiert. Nur erweisen sich dann häufig Sachen wie B.B. KINGS LIVE AT THE REGAL (MCAD-31106) als klanglich schlechter als beispielsweise die alte Electrola-LP. Und wo die europäische CD- Veröffentlichung der ANIMALS-Anrhologie THE SINGLES PLUS (EMI CDP 746605-2/Electrola ASD) gleich 20 Titel überspielt von den originalen Mono- Tapes bietet, hat der ehemalige Beatles– und Stones-Manager Allen Klein die Chuzpe, das US-Gegenstück THE BEST OF THE ANIMALS (abkco 43242) von Kopien mit Bandstörungen, Pegelschwankungen und klar schlechterem Rauschabstand überspielen zu lassen. Back-Katalog taucht auch bei uns mehr und mehr auf Billig-CDs auf. Von JOAN ARMATRADING bis zum STEVE MILLER BAND-Megaseller FLY LIKE AN EAGLE (Mercury 830 040-2) reicht das breite Angebot der Polygram-Gesellschaften, und andere ziehen nach: EMI mit vielen „Best of…“-Sammlungen wie der von CANNED HEAT (EMI Manhattan CDP 749377-2), MCA mit Dutzenden von Oldies wie dem Debüt IF YOU CAN BELIEVE YOUR EYES AND EARS von den MAMAS 4 PAPAS (MCA 250 491 -2) oder die Teldec mit Veröffentlichungen aus dem Cube-Katalog wie A SALTY DOG von PROCOL HARUM (Cube 8.26288) und der MOVE-Anthologie ON BLACKBERRY WAY (Cube 8.26285). In manchen Fällen ist die Klangqualität gegenüber früheren LPs beachtlich, in anderen (Mamas & Papas-Erstling) trübt wasserfallartiges Rauschen das Hörvergnügen, während man vorher für Hit-CDs die Bänder noch einmal nachbearbeitet hatte. Trostlos wird’s dann, wenn Vermarkter sich einen Dreck um die technische Qualität kümmern. Ein typischer Fall ist die BUDDY HOLLY-CD HIS GREA-TEST SONGS (Dino CD 1553), wo im Gegensatz zu der berühmt gewordenen Sammlung FROM THE ORIGINAL MASTER TAPES eben nicht die letztgenannten überspielt wurden, sondern „verhallte“ Kopien mit abrupten Ausblendungen und allen möglichen Bandstörungen. Ganz so trostlos ist die Lage dann doch wieder nicht, wenn renommierte Firmen Eigenproduktionen aus den Archiven ausgraben. Was bei LITTLE FEATS TIME LOVES A HERO (Warner Bros. 3015/2/US-lmport) genauso passierte wie bei den RINGO STARR-Singles auf BLAST FROM YOUR PAST (EMI CDP 746663-2), den 15 GREATEST HITS der JAMES GANG (MCAD-6012/US-lmport), diversen jetzt erhältlichen FLEETWOOD-MAC-Oldies wie BARE TREES, HE-ROES ARE HARD TO FIND und LIVE IN BOSTON und einigen TEN YEARS AFTER-CDs, die seit kurzem wie CRICKLEWOOD GREEN (Chrysalis VK 41084) als Importe greifbar sind. Warnen kann ich im letzteren Fall wieder nur vor Verschnitten, die von Kopien aus obskuren Quellen ersteilt wurden.

Dagegen wurde das Solo-Debüt vom ehemaligen Traffic-Mann DAVE MASON einwandfrei vom Ur-Original auf CD überspielt. Argerlich ist im Fall von ALONE TOGETHER (MCAD-31170/US-lmport) wie so oft bei Midprice-CDs aus dem Klassik- oder Jazz-Bereich auch, daß prominente Mit-Spieler, Entstehungszeit und -ort und sogar Mit-Komponisten ungenannt bleiben, obwohl selbst auf dem billigen Beiblatt dafür hinreichend Platz gewesen wäre. Völlig unverständlich wird das, wenn bei brandneuen CDs wie GEORGE HARRISONS CLOUD NINE (Dark Horse/WEA 925 643-2) die Co-Autoren der Songs nirgendwo aufgeführt werden, der Käufer der vergleichsweise deutlich teureren CD also nicht darüber informiert wird, daß auch die Herrn Lynne und Wright ihr Scherflein zum Comeback-Versuch des Ex-Beatle beitrugen. Das wenigstens erfährt man als LP-Käufer! Als solcher bekommt man hin und wieder auch Poster oder gar Textübersetzungen mit der 30 cm-Scheibe mitgeliefert – siehe die letzten Platten von EURYTHMICS, MADONNA oder STING. Mit gewisser Verbitterung aber werden Liebhaber der guten alten „schwarzen Scheibe“ in den letzten Monaten registriert haben, daß man sie längst nicht mehr so umwirbt wie den CD-Käufer. Das beginnt bei der LP-Fertigungsqualität, die bei einigen Firmen in der letzten Zeit nicht meht dem gewohnten „Made In Germany“-Standard entsprach, hat aber in erster Linie schon mal damit zu tun, daß man bei CD großzügige Bonus-Politik betreibt. RANDY CRAWFORDS 64 Minuten währende Produktion LOVE SONGS (Warner Bros. 241 206-2) brachte man ohne Qualitätseinbuße auf einer LP und CD unter. Das Debüt der CHRISTIANS (Island 258 601) bietet dagegen genauso mehr Songs wie CARMELS EVERYBODYS GOTA LITTLE … SOUL (London 828 067-2), GEORGE MICHAELS FAITH (Epic EPC 460000-2), MADONNAS YOU CAN DANCE (Sire 925 535-2) und STEVIE WONDERS CHARACTERS (Motown ZD72001). Mit gutem Willen und technischem Sachverstand hätte

man in diesen Fällen all das, was auf CD als Bonus offeriert wird, auch auf die Analogscheibe umschneiden können, ohne größere oder überhaupt Kompromisse bei der erzielbaren Wiedergabequalität eingehen zu müssen. Nur scheint man den LP-Käufer zunehmend seiner geliebten Scheiben entwöhnen zu wollen, um ihn auf die Digitalplättchen umzupolen.

Wenn R. E. M. auf der CD von DEAD LETTER OFFICE gleich noch das komplette EP-Debüt CHRONIC TOWN mitliefern, ist das eine Sache; dadurch beläuft sich die Spieldauer auf 63′ 51″ und liegt knapp an der Grenze dessen, was sich auf Analogscheibe schneiden und pressen läßt. Heikel wird es natürlich, wenn in einem Extremfall wie ALEX CHILTONS HIGH PRIEST (Big Time 6047-2-B/US-Import) auf der CD zusätzlich noch die acht Titel der Mini-LP FEUDALIST TARTS und der „No Sex“-Single geboten sind; was die Spielzeit insgesamt über 69 Minuten hinaus erhöht, so daß bei vielen Plattenspielern und schlecht ustierten Tonabnehmern der Klirr zu den Innenrillen hin deutlich zunehmen dürfte.

Nur: Die CARMEL CD bringt es nicht mal auf 50, die GEORGE MICHAEL-CD auf 58 Spielminuten, und die hätte man genauso wie die 61 37″ von STEVIE WONDERS jüngster CD (zwölfeinhalb Minuten mehr als auf LP) in derselben DMM-Technik auf Platte umschneiden können, welche die Ariola- Fabrik Sonopress und die führenden US-Schneidstudios eh längst verwenden!

Das windigste Argument, mit dem man die Bonus-Politik verteidigen könnte, läuft darauf hinaus, daß man dem LP-Käufer Abtastverzerrungen ersparen und möglichst viel satten Baß mit hohem Pegel liefern möchte. Nur dürfte, wer allen Ernstes diesen Vorwand ins Spiel bringt, niemals Maxi-Singles mit den manchmal aberwitzig hohen Schneidpegeln verkaufen! Im übrigen darf man gespannt sein, ob sich die Bonus-Strategie bei CD am Ende nicht als Bumerang erweist: Nämlich den Leercassetten-Verkauf steigert, gegen den dieselbe Plattenindustrie sich so vehement wendet.

Ganz uneigennützig taktiert diese Industrie gewiß nicht bei der Vermarktung von Alt-Repertoire – im Klassik-Bereich so wenig wie bei Pop & Rock. Was neuerlich auf Digital-Tonträger herauskommt, hat in aller Regel sowieso gesunde Profite eingespielt. Dagegen ist auch nichts zu sagen. Ein Vorbild, von dem man sich wünschen würde, daß es Schule macht, lieferte kürzlich der Warner-Konzern, der die ersten sechs LPs von ZZ TOP auf einem 3 CD-Set als THE ZZ TOP SIX-PACK (Warner Bros. 925 661-2) verpackte. Das paßte alles prima und ungekürzt in aufpolierter Klangtechnik auf drei Silberlinge. Wie das bei den ersten sechs BYRDS LPs auch der Fall wäre! Und wer Minuten und Sekunden zusammenrechnen kann, weiß inzwischen: Die ersten acht BEATLES -LPs könnte man ohne technische Probleme ungekürzt und selbstredend in Stereo- Mix auf einem 4 CD-Set unterbringen. Wieso sollen solche Liebhaber-Editionen nur dem Klassik-Hörer vorbehalten bleiben?! Am Fertigungspreis von CD liegt es jedenfalls nicht, wenn Mehrfach-Sets wie die von DUANE ALLMAN bis ZZ TOP verschwindend wenig angeboten werden.

Nach wie vor gilt im übrigen, daß durchaus nicht alle wichtigeren Neuerscheinungen sofort auf CD greifbar sind. RY COODERS GET RHYTHM (Warner Bros. 925 639-2) ja, auch die letzten Platten von den EURYTHMICS, DAVID SYLVIAN, BRYAN FERRY und LLOYD COLE, aber THE PEOPLE WHO GRINNED THEMSELVES TO DEATH (Chrysalis 258 613) von den HOUSEMARTINS nur mit Verspätung, anderes wie CALENTURE von den TRIFFIDS, DOCUMENT von R. E. M. oder GHOST ON THE BEACH von den INSIDERS noch Monate nach dem angekündigten Veröffentlichungstermin entweder überhaupt nicht oder nur als Übersee- Importe spezialisierter Geschäfte.

Zu den bemerkenswerteren CD-Novitäten der letzten Wochen gehören PAUL CARRACKS ONE GOOD REASON (Chrysalis 258 356) und KING SUNNY ADE’s RETURN OF THE JUJU KING (Mercury 832 522-2), eine Auswahl aus seinen letzten drei hierzulande unveröffentlichten LPs. Bei MARK KNOPFLERS jüngster Soundtrack- Auftragsarbeit THE PRIN-CESS BRIDE (Vertigo 832 864-2) erinnert man sich einmal mehr daran, daß und wie er WILLY DEVILLE letzthin dermaßen „knopflerisierte“, daß eingeschworene Bewunderer des großen Sängers der Platte nicht so recht froh werden konnten.

Apropos große Sänger mit vielbewunderten Stimmqualitäten: Von solchen ist jetzl einiges an CD-Wiederveröffentlichungen zu hören, unter anderem CHRIS ISAAKS Debüt SILVERTONE (Warner Bros. 925 156-2), OXFORD von MICKEY JUPP (Line LICD 9.00039/ARIS), BOZ SCAGGS / SLOW DANCER (CDCBS 65952) und als US-Import BILL WITHERS 1 WATCHING YOU WATCHING ME (Columbia CK 39887).

Was der amerikanische Medien-Multi versäumte – das Gerücht, Sony werde womöglich CBS Records für zwei Milliarden Dollar kaufen, hat sich inzwischen bestätigt -, holte jetzt die große Konkurrenz endlich nach. Als CD erhältlich sind nunmehr das Solo- Debüt von PAUL SIMON (Warner Bros. 925 588-2), überspielt von etwas rauschigen Bändern und mit deutlich mehr Höhen als vormals auf der LP, wie auch das in fast perfekter Klangtechnik produzierte Nachfolgewerk THERE GOES RHYMIN 1 SIMON (Warner Bros. 925 589-2), das in puncto Klang solchen Meisterwerken wie STILL CRAZY AFTER ALL THESE YEARS (ebenfalls gerade bei Warner als CD wiederveröffenHicht), HEARTS AND BONES oder GRACELAND um nichts nachsteht.

Weil nach dem von niemand wirklich vorauszusagenden Erfolg von GRACELAND gelegentlich leicht abfällige Bemerkungen über HEARTS AND BONES zu lesen waren, sei eines hiermit klargestellt: Diese Platte stellt nicht nur das meiste, was der Maestro in Simon & Garfunkel-Jahren schrieb, unter künsterlischen Aspekten in den Schatten, sie gehört auch zum Dutzend bestaufgenommener und klanglich überragender Pop-Platten, die je veröffentlicht wurden! Und damit in jede CD-Kollektion.

An vorzüglich singenden Damen war auf CD in der letzten Zeit auch überhaupt kein Mangel. Zu diesem illustren Kreis zählt ISABELLE ANTE-NA mit HOPING FOR LOVE (Interphon IPCD 2011) genauso wie Katharina Franck mit den RAINBIRDS (Mercury 834 023-2). Dem Anspruch des Titels wird THE VERY BEST OF MARIANNE FAITHFULL (London 820 482-2) leider nicht so ganz gerecht, dafür gibt es aus ihrer Decca-Zeit denn doch zu viele Glanzlichter, die hier nicht aufgenommen wurden. Zu finden sind immerhin neben „Sister Morphine“ Aufnahmen von „Come and Stay With Me“, „This Little Bird“ und „Reason To Believe“, wo das Mädchen mit der zerbrechlichen Stimme noch nicht BROKEN ENGLISH sang. JONI MITCHELLS DON JUANS RECKLESS DAUGHTER ist neben einigen anderen jetzt als reguläre deutsche CD-Veröffentlichung erhältlich, LADIES OF THE CANYON und BLUE immer noch nicht.

Ohne die Songtexte, die seinerzeit der LP beilagen, wurde jetzt das Debüt von KARLA BONOFF (Columbia CK 34672/US-lmport) als CD ediert – dafür in hervorragendem Klanggewande. Im selben Jahre 1977 hatte BONNIE RAITT umgehend die Karla Bonoff- Komposition „Home“ für ihr Album SWEET FORGIVENESS aufgenommen. Das ist nun endlich auch als CD da (Warner Bros. 2990-2 US-Import) und läßt hoffen, daß auch wenigstens die früheren Meisterwerke von Ms. Raitt bald auf Digitalplatte folgen.

Bei Arista komplettierte man den CD-Katalog von ARETHA FRANKLIN mit LOVE ALL THE HURT WAY (ARCD 8368), während die sensationellen frühen Atlantic-Aufnahmen der Soul-Dame derzeit genauso wie die kompletten OTIS REDDING-Originale auf preiswerten, gleichwohl hevorragenden kanadischen LP-Pressungen importiert werden.

Um die Country-Fans unter den CD-Käufern künmern sich weiterhin vorwiegend die Importeure, bei den SU-PER HITS von GEORGE JONES (Epic EK 40776) nicht anders als bei IAN TYSONS COWBOYOGRAPHY (über TIS) oder THE BEST OF DAN SEALS (Electrola ASD). Vorerst nur als Import erhältlich sind auch SAM COOKES LIVE AT THE COPACABANA (abkco 29702) und der Soundtrack zu Wim Wenders‘ DER HIMMEL ÜBER BERLIN (Milan CD 316/ARIS), ein Album der schwarzen Vokalgruppe BHUNDU BOYS mit dem Titel TRUE JIT (WEA 242 203-2/TIS) und die TRIFFIDS-RaritätenkollektionLOVE IN BRIGHT LANDSCAPES (Megadisc MCD 7973/über Rough Trade), eine Auswahl aus den Jahren 1983 bis 1985. Nur muß man nach derlei ausgefalleneren Sachen selbst in bestsortierten Läden hartnäckig fahnden.

Stapelweise findet man nur die aktuellen Hits – und nicht mal unbedingt MICHAEL JACKSONS THRILLER als CD! Von konsequenter Repertoirepflege kann bei vielen Plattenfirmen vorerst keine Rede sein.