Da ist doch noch Trost


Robin Proper-Sheppard hat seinen ersten positiven Song für Sophia geschrieben. Seiner Mutter und seiner Tochter sei Dank

Vater und Sohn, irgendwo vor der englischen Küste. Sie drohen zu ertrinken. Es gibt eine letzte Hoffnung – Mobilfunkkontakt zu den heraneilenden Rettern. Doch sie kommen zu spät. Vater und Sohn sind tot. Diese Geschichte bzw. die Erkenntnis, die man aus ihr ziehen kann, wurde zum Namensstifter für das neue Album der Band Sophia: TECHNOLOGY won’t save US. Robin Proper-Sheppard hat eine Vorliebe und selbst auch ein Händchen für solche Geschichten. Geschichten voller Traurigkeit, Geschichten von der Hoffnungslosigkeit des Lebens. Da muss sich ein bisschen wundern, wer ihn persönlich kennenlernen darf: Sehr wach, fast vergnügt sind seine Augen; Robin Proper-Sheppard ist ein äußerst sympathischer Mensch, offenkundig ehrlich, liebenswert. Und er redet am laufenden Band. Erzählt von seiner Tochter, derentwegen er nach England gezogen ist: „Um in ihrer Nähe zu sein. Ich Hebe sie über alles, auch wenn ihre Mutter und ich schon lange nicht mehr zusammen sind. Alles, was ich tue, tue ich, um ihr eine schöne Kindheit zu ermöglichen. Und natürlich eine gute Schulbildung. Das ist der maßgebliche Grund, weshalb ich gerne möchte, dass meine Alben sich gut verkaufen. Ich kann ja nichts anderes, als Musik zu machen.“

Er lacht. Überhaupt lacht er Ziemlich Viel. Doch ebendieser Mann hat (wieder einmal) eines der traurigsten Alben des Jahres gemacht. Proper-Sheppard holt weit aus und erinnert, ohne dass wir danach fragen müssen, an den Moment, als diese große Traurigkeit begann. Er erinnert an seine frühere Band God Machine. Und an den Verlust eines Freundes, der immer eng mit der Geschichte von Sophia verbunden sein wird: Er spricht einmal mehr über den Tag im Mai 1994, als der God-Machine-Bassist Jimmy Fernandez urplötzlich starb. „Als Band haben wir nur zu dritt funktioniert!“, stellt er fest: „Als Jimmy starb, starb auch God Machine. Vielleicht ist das der Grund, weshalb ich danach so ein musikalischer Einzelgänger wurde. Solche Freunde und Musiker findet man nicht so leicht.“

Seine seitdem auf den ersten Blick geradezu solipsistische Arbeitsweise mit Sophia, so glaubt er heute zu verstehen, sei nicht dem Kontrollzwang entsprungen – vielmehr habe er so einfach seiner Angst vor Verlust begegnen wollen. Doch jetzt, endlich, freut sich Proper-Sheppard, habe er sie überwunden und erstmals wieder ein Wir-Gefühl aufbauen können zwischen sich und seinen Mitmusikern.

„Ich habe die letzten Jahre sehr viel nachgedacht“, sagt Proper-Sheppard und lächelt. „Reflexion ist vielleicht das Wichtigste überhaupt. Und meine Tochter war ein Grund, weshalb ich sehr viel über mich selbst gegrübelt habe. Ich will ihr ein guter Vater sein.“ Eine wichtige Erkenntnis, die der Künstler von seinen vielen Reisen in sein Innerstes mitgebracht hat, ist das Wissen, dass auch im größten Leid etwas Versöhnliches verborgen liegen kann. Das will er auf TECHNOLOGY won’t save US sehr deutlich gemacht haben, behauptet er – dabei klingt dieses Album für den unvorbereiteten Hörer wie das Traurigste, was er seit langem gehört hat. „Das stimmt doch gar nicht“, widerspricht Proper-Sheppard, „tatsächlich ist auf diesem Album der erste wirklich positive Song, den ich je geschrieben habe: ,Lost‘.“

Dass sich dieses „Lost (She Believed In Angels …)“ aber ausgerechnet mit dem Tod seiner Mutter beschäftigt, findet Proper-Sheppard keineswegs paradox: „Meine Mutter hatte mit dem Leben abgeschlossen. Sie war sehr krank. Aber sie hat nie geklagt. Sie war nur manchmal etwas traurig, dass ihr die Zeit für viele Dinge fehlen würde, die sie gern noch gesagt hätte. Vor ihrem Tod sagte sie zu mir, ich solle nicht weinen: Sie habe keine Angst, also müsste ich auch keine haben. ,Schreib einen Song‘, hat sie gesagt, .etwas Positives!’Lange wusste ich nicht, was sie meinte. Doch ich glaube, mit, Lost‘ habe ich es ziemlich genau getroffen. Dieses Lied ist das Hoffnungsvollste, was ich zu diesem Thema zu sagen hatte.“

Technologie Wird uns nicht retten, wenn wir es selbst nicht können.

„Diese Geschichte vor der englischen Küste hat. mich aus verschiedenen Gründen gefesselt“, erläutert er. „Zum Schluss nahm der Vater den Sohn auf seine Schultern, damit dieser weiter atmen konnte, währender selbst unter Wasser war. Es muss schrecklich gewesen sein. Aber die ganze Zeit hindurch hatten die beiden einander. Ich glaube, wenn einer von ihnen überlebt hätte, hätte es ihm das Herz zerrissen. So waren sie wenigstens keine Sekunde allein.“

Robin Proper-Sheppard ist milder geworden, aber auch wieder ein Stück mutiger. Er tritt öfter aus seiner Einsiedlerhöhle hinaus ans Licht. Die meisten seiner Songs wollen ihm zwar noch nicht so recht folgen. Aber sie werden der Hoffnung auch nicht ewig widerstehen können.