Daft Punk, Berlin, Huxley’s


BEI DAFT PUNK WIRD DER KONZERTSAAL ZUR Disco. In der vorderen Hälfte des Huxley’s kommt Schall von vier Seiten, am rechten Rand mühen sich DJs an ihren Turntables ab. Doch eigens engagierten Auflegern gelingt es nicht, das Publikum frühzeitig in Bewegung zu bringen, zu sehr gleicht der Kastenbau am Rande von Kreuzberg einer Rockschuppen. Die Folge: Selbst partybereite Raver bleiben vor lauter Mißtrauen stehen. Das scheint die Hauptdarsteller des Abends zu irritieren. Ohne viel Aufhebens schreiten Thomas Bangalter und Guy-Manuel De Homem-Christo an ihre elektronischen Klangerzeuger, erinnern mit ihrer ausdruckslosen Gestik dabei an Handwerker, die sich morgens um 7 Uhr müde an ihre Schraubstöcke schleppen. Während der ersten Minuten spürt man, wie Daft Punk und die notorisch mauligen Berliner sich abtasten. Doch die französischen Techno-Schelme reagieren schnell. Sie sind in diesem Jahr schon weit gereist und haben mit ihren verspielten Comic-Grooves eine Menge Hüften in Bewegung gebracht. Diese Erfahrung spielen sie aus. Zu Beginn wirft das Duo eine imposante Lichtanlage an. Farbkreise ziehen ihre Bahnen auf mittelgroßen Leinwänden. Auf einem Bildschirm im Vordergrund steht zu lesen, was Daft Punx not dead!

Nachfolgend zu erwarten ist:“Musique . Aber Daft Punk sind nicht gekommen, um mit bekannten Stücken und einigen Beigaben routiniert Geld abzuschöpfen. Bangalter und De Homem-Christo machen tatsächlich Musik, die in die Live-Arena gehört. Klar, sie rufen alle gewünschten Songpassagen aus Computern und Maschinen ab. Doch die Verbindung der Einzelbestandteile hat nur wenig mit dem gemein, was man von ihrem „Homework“-Album her kennt. Der 90minütige Auftritt besteht aus einem gigantischen Mix, in den vertraute und komplett unbekannte Sequenzen einfließen. Da stutzt das Duo quietschende Acid-Albernheiten zurecht, verneigt sich vor Kraftwerk, verändert die Rhythmusgeschwindigkeit nach Belieben. Ist eine Klangfolge vertraut, wird sie abrupt abgebrochen, um neuen Elementen Platz zu verschaffen. Es dauert eine Weile, aber dann ist die Meute dem Pariser Techno-Treiben restlos verfallen. Eine Zugabe muß her, die Daft Punk dazu nutzen, sich per Vocoder und Dia-Einblendung bei ihren Helden zu bedanken. Darunter befinden sich nicht nur Ikonen der House-Szene, sondern auch Brian Wilson und Bob Marley, deren eingeblendete Konterfeis auf der Leinwand lange stehenbleiben. Mit dieser Geste untermauern Daft Punk, was ihre Musik auch suggerieren will: daß Techno-Acts die Rock ’n’Roll-Historie anerkennen und als mit ursächlich für ihr Schaffen betrachten.