Das Ende vom Lied


Schluss mit lustig! 1999 fand der deutsche Schlager zum alten Ernst zurück. Die neuen Spaßvögel dagegen ließen Haare.

Es war ein trüber 1. Oktober im Jahre des Herren 1999, in seiner Trübnis nur noch übertroffen von der Architektur der Stuttgarter Schleyerhalle, als – die Feder sträubt sich vor dem zu Schreibenden noch Trüberes sich zutrug: Dieter Thomas Kuhn, unermüdliches Frontschwein des deutschen Schlagers, ließ sich die wallend blonde Lockenmähne nicht bändigen, nein, sondern abrasieren. Ein Zeichen wolle er setzen, ließ Kuhn durchblicken, einen Endpunkt. Der Raserei Einhalt gebieten. Und als da sein Haupthaar zu Boden rieselte, war es tatsächlich, als legte sich auch der spaßige Bruder des deutschen Schlagers endgültig nieder. Entkräftet, ausgebrannt von seiner kurzen Blüte, die ihm in den Neunzigern noch einmal zu einem ironiebefeuerten Comeback verholfen hatte. Vorbei, vorbei.

Zeit, zurückzublicken auf die Anfänge dieser rätselhaften Renaissance des seichten Liedguts. Vor knapp fünf Jahren nämlich bestimmten feuchtfröhliche Partys das Clubgeschehen: Ganze Stauseen von Apfelkorn und die abgegriffenen Hits der Neuen Deutschen Welle (NDW) erheiterten eine Generation, der „gewöhnliche“ Musik immer noch zu problematisch war. Musik, zu der man sich in Stellung bringen musste -ablehnend, annehmend oder auch cool distanziert. Die Neo-NDW ebbte bald wieder ab, die Sehnsucht nach einer – zur Abwechslung mal charmanten – deutschen Dummheit blieb. Und wenn Ouentin Tarantino im Kino herumspritzendes Gehirn mit einem komplizenhaften Augenzwinkern verkaufen konnte, dann musste es doch auch möglich sein, den ähnlich entsetzlichen Back-Katalog des alten deutschen Schlagers unters Volk zu bringen – wenn man ihn nur mit genug Ironie imprägnierte.

Newcomer wie Dieter Thomas Kuhn balancierten alsbald ebenso gekonnt auf dem schmalen Grat zwischen Lächerlichkeit und Originalität wie der tapfere Jürgen Drews mit seinem „Bett im Kornfeld“. Guildo Hörn surfte auf dieser Welle sinnfreien Wohlklangs anno ’98 sogar bis in die Endausscheidung des „Grand Prix“. Ralph Siegel fand das nicht witzig, prophezeite den Shooting Stars ein rasches Ende und pochte auf die Spielregeln. Er hatte Recht. Denn wenn er seine Käufer dauerhaft binden möchte, muss Schlager zwar schlicht sein, nicht aber idiotisch. Weil aber die Protagonisten des neuen Schlagers zu den Schräglingen unter den Popstars zählten, schnitten sie sich 1999 die Haare ab. Oder machten, wie „der Meister“ im Kino, gleich einen ganzen Frisörsalon auf. Vielleicht der Gipfel der Ironie. Sicher aber ihr Ende.