Das Jahr im Zeichen der Drei


Gelb mag-zumindest für die Gemeinde der Simpsons-Fans-die Farbe des Kinojahres 2007 gewesen sein. Die Filmindustrie favorisierte andere Symbole: Die magische Zahl Drei ließ die Kassen klingeln.

Threequel. Klingt zunächst irgendwie geil. So neu, so anders, so vielversprechend. So nach etwas, was einem Hollywood mit guten Absichten und schlechtem Gewissen verkaufen will. Was sich besser anfühlen soll, als es eigentlich ist, nämlich alter Wein in einem ziemlich alten Schlauch, den man nur neu eingefettet und angestrichen hat. Und vielleicht ist sogar der Ausdruck aus derselben Not geboren wie die Filme, die er umreißt. 2007 war das Jahr der Threequels, der zweiten Fortsetzungen, der Filme mit der arabischen Zahl 3 im Titel. Und der Beweis, dass eine originelle Idee in den Chefetagen der Studios nur dann etwas zählt, wenn man sie schon einmal erfolgreich verkauft hat. Also wurden sie zum dritten Mal losgeschickt, die Spinnenmänner, die Karibikpiraten, die grünen Oger, die Gentleman-Gauner, die Agenten mit Daueramnesie, begleitet vom um zwölf Jahre verzögerten Wiedereinsatz des grummeligen Cops, der zum vierten Mal einen schlechten Tag hatte, der fünften Potter-Zaubershow und dem ersten Kinoausflug der gelben Gefahr aus Springneid nach 20-jähriger Kampferprobung im Fernsehen. Alles so schön neu hier? Pustekuchen.

Nicht weil Hollywood etwa die Ideen ausgegangen wären, sondern weil nackte Panik herrscht. Panik, dass das Publikum – wie vor zwei Jahren passiert – dauerhaft dem Kino den Rücken kehren könnte. Angst, weil man die Risiken angesichts der sich immer weiter nach oben schraubenden Produktionskostenspirale irgendwie kontrollierbar halten muss. Furcht, weil im aktuellen Klima der fetten Backend-Deals für Schauspieler und Regisseure trotz hoher Umsätze unterm Strich insgesamt immer noch ein Minus von mehr als einer Milliarde Dollar entsteht, wie die New York Times meldet. Wenn einem dann tatsächlich einer dieser teuren Filme um die Ohren fliegt – wie dieses Jahr evan allmächtig, für den aus reichlich unerfindlichen Gründen 175 Millionen Dollar plus 100 Millionen Dollar Marketing verprasst wurden und der dann weltweit 172 Millionen Dollar einspielte, von denen schließlich nur die Hälfte beim Studio ankam -, dann hat man ein Problem, bei dem kein Houston der Welt helfen kann. Also: Lieber die Nummer sicher. Also:

Threequels. Die Rechnung ging auf, alle Trümpfe stachen. Und wenn man ehrlich ist, waren sie insgesamt gar nicht so schlecht, spider man 3 vielleicht etwas zu unübersichtlich, SHREK DER DRITTE vielleicht etwas zu uninspiriert Und PIRATES OF THE CARIBBEAN: am Ende der Welt vielleicht etwas zu bombastisch. Aber Ocean’s 13 war passabel und das Bourne Ultimatum schließlich schlicht brillant. Vier der Drittteile landeten in den USA in der Endabrechnung unter den ersten sechs. Kein schlechter Schnitt. Und natürlich ein Wegweiser, was in Zukunft zu erwarten sein wird. Wappnen wir uns schon mal für die Fourquels und hoffen, dass ein bourne dabei sein wird.

Als wolle man Buße tun für die fröhliche Urständ des schamlosen Popcornfilms, hielt Hollywood, eigentlich immer ein Hort der Democrats und Liberalen, es sei denn, der Gehaltsscheck steht auf dem Spiel, noch ein zweites großes Thema parat: den Krieg, die verheerenden Auswirkungen von 9/11 und des „War on Terror“ auf ein Land, das mittlerweile manche Bananenrepublik aussehen lässt wie eine Hochburg des Pluralismus. Mittlerweile – das kann man nicht ohne Sarkasmus feststellen -, wo Bush alles an die Wand gefahren hat und es nun wirklich nicht mehr viel Zivilcourage braucht, sein Maul aufzumachen, melden sich auch all diejenigen Verteidiger wahrer demokratischer Werte wieder zu Wort, die noch vor zwei Jahren zu feige dazu waren.Es hat eben nicht jeder den Schneid eines George Clooney. Andersrum ist natürlich jede fundierte Kritik zu begrüßen. Und gerade die Masse an Filmen, die sich des Themas annahmen, war eine Ansage, wie sie klarer kaum sein könnte: in the Valley of elah, redacTED, VON LÖWEN UND LÄMMERN, MACHT-LOS, THE BATTLE OF HADITAH, SICKO, MICHAEL CLAYTON -auch wenn ein kriegsmüdes Publikum diesen Filmen nicht gerade die Türen einrannte, war es unmöglich, den Hilfeschrei „Land unter im Land der Freien und der Heimat der Tapferen!“ zu überhören; am besten war dieser symbolisiert durch die Schlussszene von in the Valley of elah, in der selbst der stramme Hardcore-Patriot Tommy Lee Jones die Stars and Stripes kopfüber hisst, um ein S.O.S. auszusenden: Es ist was faul in den Staaten. Dass der einzige Kriegsfilm, der wirklich Kohle machte, ausgerechnet der comichafte Historienreißer 300 war, gab Anlass für hitzige Debatten. Selbst sonst kühle Köpfe äußerten Faschismusvorwürfe. Zugegeben: Der Blutrausch des manischen Schlachtenspektakels war so gewaltig wie der Hammer der Götter auf die Fontanelle. Aber Regisseur Zack Snyder war auch clever genug, durch die Perspektive der Erzählung klarzustellen, dass er kein Heldengedicht gedreht hat, sondern aufzeigt, wie es zu Heldengedichten kommt. Auf diesen feinen Unterschied kommt es an. Ungeachtet all dessen war der Film eine Wucht, weil in Sachen visuelle Ausgestaltung kaum zu übertreffen.

»-> Inhaltlich waren die Filme am spannendsten, in denen der Krieg bestenfalls als Echo zu vernehmen war. Filme, die nicht den Status quo aufzeigten, sondern den Schritt zurück wagten und sich ihre Gedanken machten, was das eigentlich ist, dieses Amerika im Jahr 2007, und was man tun kann, um den sprichwörtlichen Ruck durchs Land gehen zu lassen. Im Grunde geht es bei Filmen wie Sean Penns Selbstfindungstrip Into the wild, dem Dylan-Essay I’m not there (deutscher Start: Februar 2008) oder auch dem Beatles-Musical Across the universe um die Kraft der Veränderung, die alle drei Filme bei der Jugend verorten. Nicht von ungefähr sind die zwei letzteren Filme in den 60er-Jahren angelegt und handeln – im weitesten Sinne – von Rock-Ikonen, deren ureigentliche Natur die Veränderung war/ist.

Dass dem Kino durch den Bück zurück tatsächlich der Weg nach vorn gewiesen wird, ist eine der spannendsten Entwicklungen in diesem Kinojahr, das sich nicht nur durch technologische Innovationen (das 3-D-Cinema regte sein Haupt mit beowulf und sollte 2009 mit James Camerons avatar den Durchbruch feiern) auszeichnete, sondern auch einen neuen Mut in der Gestaltung und Erzählung von Stoffen. Gerade auf den großen Festivals ließen sich herausragende Entdeckungen machen, die (bei uns) nächstes Jahr in die Kinos kommen werden, von Julian Schnabels Schmetterling und Taucherglocke über George A. Romeros kompromissloses Zombie-Comeback DiARY of the dead (der vielleicht modernste Film des Jahres) bis zu Barbet Schroeders Terror-Doku devil’s advocate. Es tut sich was im Kino.

Hoffentlich bald auch wieder beim deutschen Film, der im Februar noch über den Oscar für DAS Leben der Anderen jubelte, sich dann beim Deutschen Filmpreis für die Erfolge des Vorjahres gratulierte und ankündigte, man strebe für 2007 französische Verhältnisse an, also einen Marktanteil für den heimischen Film von 40 Prozent, um sich nun in Katzenjammer zu ergehen: Bei gerade einmal zwölf Prozent Marktanteil dümpelt der deutsche Film kurz vor Jahresende. Noch schlimmer: Wirklich aufregende, tolle, neue, mitreißende Filme suchte man vergeblich, klammert man einmal Fatih Akins bemerkenswert klugen auf DER ANDEREN SEITE aus. So traurig das klingen mag in einem Jahr, in dem der vierte Die wilden Kerle nach Besuchern und Umsatz der deutsche Toptitel war, der innovativste Film made in Germany war Bullys Sissi und der wilde Kaiser, auch wenn das keiner bemerken wollte, war ja nur Familienunterhaltung mit billigen Witzen. Aber eben auch ein beachtlich ambitioniert umgesetzter CGI-Animationsfilm aus einem Land, in dem es für solche Filme gar keine Industrie gibt. Man sollte die Hoffnung nicht aufgeben: Nächstes Jahr wird alles besser. Sagt man. Vielleicht sollte man es einmal mit Threequels versuchen.