Das Miststück


Luxus trifft Lotter, Krawatte trifft Nietenjacke. Liebe im Chaos, tumbe Polizisten, tumbe Gangster, New York, ein wildes Tier und ein Rolls Royce im Graffiti-Kleid. Gut, daß wenigstens Madonna bleibt, wie sie ist. So zieht sie den Karren einmal mehr aus dem Dreck.

Du glaubst ihr kein Wort, aber du kaufst ihr alles ab. Sie ist gewöhnt zu kriegen, was sie will — und wenn nicht, dann nimmt sie es sich trotzdem. Ernsthaft böse kann ihr trotzdem keiner werden. Sie ist eines dieser Madehen, nach denen du im richtigen Leben ewig suchen kannst. Die gibt’s nur im Kino, wo alles größer, bunter und schneller ist. Oder in der Märchenwelt des Pop-Geschäfts. Da ist Madonna das Paradebeispiel für das Selfmade-Girl, das sich nach oben geboxt hat, das sich alles genommen und das alles bekommen hat.

Und genau so ist sie in ihrem neuen Film. Man glaubt ihr jede Bewegung. Keine Kunststücke mehr wie im verunglückten „Shanghai Surprise“, eher schon die Fortsetzung ihrer Rolle in „Susan, verzweifelt gesucht“. Madonna ist wieder das kleine Miststück, das alle für sich einnimmt. Wie sie das macht, ist höchst amüsant und versöhnt mit einigen Durststrecken auf dem Weg zum Happy End.

„WruA That Girl“ ist das letzte Glied in einer Reihe von Madonna-Produkten dieses Sommers und — dramaturgisch korrekt — das eigentliche Hauptereignis. Am Anfang war die Idee: Ein neuer Madonna-Film muß her! Diesmal sollte alles richtig üut ceplant sein. Nicht so wie bei „Susan, verzweifelt gesucht“. Der kam zwar mitten im schönsten Madonna-Boom ins Kino, aber mehr aus Zufall. Gedreht noch vor ihren ersten Hits, war auch musikalisch nicht viel drin. Nur ein Song („Into The Groove“) wurde nachträglich eingebaut und mit einem Video aus Film-Ausschnitten in Umlauf gebracht. Das geht doch besser!

Das Drehbuch zu „Who’s That Girl“ landete gleich bei der richtigen Adresse. James Foley, Regisseur von „At Close Range“ (mit Scan Penn) und zweier Madonna-Videos („Live To Teil“, „Papa Don’t Preach“), erkannte den idealen Stoff für ein Star-Vehikel. So nennt man Filme, um die — bei normaler Schauspieler-Besetzung — nicht viel Wind gemacht werden würde. Hat man aber den Star, der hundertprozentig in die Rolle paßt, wird’s interessant.

Hat man andererseits einen Star, der ins Kino soll, will man möglichst wenig Risiken eingehen (oder man erlebt sein „Shanghai Surprise“) und am liebsten Nummer Sicher buchen. Hai man noch dazu einen Star, der statt einer neuen LP einen Soundtrack zum Film veröffentlicht und rechtzeitig eine Welttournee veranstaltet, dann kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Kann aber doch.

Ein Problem von „Who’s That Girl“ ist die Story: Junger Karriere-Anwalt (Griffin Dünne aus „Die Zeit nach Mitternacht“) muß am Tag vor seiner Hochzeit dem künftigen Schwiegervater einen Gefallen tun. Er soll ein aus der Haft entlassenes Mädchen (Madonna) am Gefängnis abholen und dafür sorgen, daß sie mit dem nächsten Bus verschwindet.

Natürlich kommt alles anders. Das kleine Biest reißt sich das schwarze Rolls Royce-Cabrio samt Anwalt und dem großen Biest (eine Wildkatze, die später noch in die Handlung eingreifen wird) auf dem Rücksitz unter den Nagel und übernimmt das Kommando. Sie will ihre Unschuld an dem Mord beweisen, für den sie vier Jahre im Knast saß.

Bis es soweit ist, stehen Autojagden auf dem Plan, Schießereien, Überfälle, ein Stop auf der Intensivstation, eine Massen-Entführung, gar ein Vorstellungsgespräch für eine neue Wohnung. Eine verwegene Mischung aus ihren und seinen Terminen: Fährst du mich zum Waffen-Dealer, begleite ich dich zu Cartier. Upiown meets düwmown. Über diesem Tohuwabohu verliert man aber schnell die ursprüngliche Motivation aus den Augen.

Hier liegt das zweite Problem des Films. Die einzelnen komischen Situationen stehen für sich. Und das sollten sie besser nicht. Drehbuchautor Andrew Smith war zwei Jahre lang Chefschreiber der amerikanischen Comedy-Show „Saturday Night Live“. Diese Fernseharbeit hat auf „Who’s That Girl“ abgefärbt. Stellenweise erinnert der Humor zwar an die „Saturday Night Live“-Entdekkungen John Belushi und Dan Aykroyd, aber leider fehlt der große Bogen.

Und in diesen Momenten, zwischen den Gags sozusagen, bleibt Zeit, drüber nachzudenken, warum dieser Film so aussieht. In diesen Momenten wird klar, daß man es mit einem Madonna-Vehikel zu tun hat. Mit einem abgekarteten Spiel nach allen Regeln der Vermarktungskunst. Nicht, daß man es nicht gewußt hätte. Nicht, daß man sich dagegen wehren wollte, aber die 90 Minuten auf dem Komödien-Karussell hätte man es halt gern vergessen.

Doch dann kommt sie wieder ins Bild und wirft dir ihren ganzen Charme entgegen. Sie ballert in die Luft, tritt aufs Gaspedal und ruft dem verdatterten Anwalt ein aufmunterndes „Ha!“ zu. Wozu ein roter Faden, wenn Madonna die ansteckendste Was-kostet-die-Welt-Stimmung verbreitet? Das Miststück hat’s wieder mal geschafft. Und viel besser als Kollege Prince, der mit einem ähnlichen Multimedia-Anlauf („Under The Cherry Moon“) elegant abgestürzt ist.